Der ORF und die Aufarbeitung der Vertreibungsthematik.

Dienstag,2.April2013 von

Jahrzehntelang wurde das Thema Vertreibung von den Massenmedien kaum behandelt. Es sollte einfach ins Vergessen fallen. Nun geht man in der BRD und in Österreich  neue Wege wie auch jüngst im ORF-Themenabend zu sehen war.
Die Leidenswege der ostdeutschen Bevölkerung dürfen gezeigt werden, aber
haben sich in den Rahmen vorgegebener Geschichtsdogmen einzupassen, die überdies – völlig undemokratisch – nirgends ein breites öffentliches Forum finden wo sie hinterfragt werden dürfen. Den historischen Kontext, die Kausalität der Vertreibungsgeschichte, wollen unsere Meinungsmacher allein aus dem Weltkrieg gedeutet wissen. Um eine Verursacherhaftung herzustellen wird noch die
Behauptung davor gesetzt, Deutschland trage am Krieg die alleinige Schuld.

Dies ist nichts anderes als eine bewußte Irreführung weil die Ursachen der
Vertreibung sehr viel umfangreicher sind. Man tut ja gerade so, als wäre
Vertreibung einer so großen ethnisch geschlossenen Gebietsbevölkerung wie es
die Deutsche jenseits von Oder, Neisse und Böhmerwald war, die zwangsläufige Folge eines jeden Krieges. Dabei ist das Gegenteil richtig, in der europäischen Geschichte hat es dies bisher nicht gegeben, von „kleineren“ unsystematischen Vertreibungen abgesehen. Herrschaftsgebiete wechselten immer wieder, aber die überlebende Bevölkerung konnte dann eben unter fremden Mächten in ihrem
Land weiterleben. Was von der etablierten Geschichtsschreibung völlig
unterschlagen wird ist die Tatsache, daß Ostdeutschland bis zur Oder und Neisse schon lange vor dem Krieg von Polen beansprucht wurde. In diesem Verlangen
liegt auch eine der Wurzeln des Krieges selber. Vertrieben bzw. zur Abwanderung gezwungen wurden außerdem schon in den Zwanzigerjahren mittels verwaltungstechnischen Maßnahmen rund 800000 Deutsche aus den Polen nach
dem 1.Wk. angegliederten preußischen Gebieten, dem Völkerbund und Minderheitenschutzdeklaration und -vertrag, zu deren Einhaltung Polen als Voraussetzung für die Übernahme dieser Gebiete verpflichtet war, zum Hohn. Die Abwanderung eines derartig beträchtlichen Bevölkerungsteiles von reichem wirtschaftlichen und sozialen Gefüge war bisher in hochzivilisierten Ländern in
solch kurzem Zeitraum nicht beobachtet worden. Darüber findet sich in unseren Geschichtsbüchern kein einziges Wort.

Ebenso sprach Masaryk schon 1919 von einer „Entgermanisierung“ des Sudetenlandes und noch früher nannte der bedeutendste tschechische Politiker
des 19.Jh., Palacky, die deutschen Bewohner und Nachfahren der Erbauer eines Großteils Böhmens „Gäste“. Und so trifft eben auch hier zu was Benes nach dem Krieg sagte, nämlich daß die Tschechen die Vertreibung schon früher erledigen wollten, damals aber noch nicht die Zustimmung der Alliierten fanden.

Ohne den Willen zum Landraub hätte es die Vertreibung nie gegeben. Und dieser Wille war im Grunde schon lange vorher vorhanden.

Frühe Äußerungen tschechischer Stellen, die die tschechischen Absichten das sudetendeutsche Land in den tschechischen Lebensraum einzuverleiben offen
legen sind dokumentiert. Aus den zahlreichen und kontinuierlich erfolgten
Äußerungen werden lediglich einige Beispiele angeführt:

In den Werk „Ceskoslovensky stat v mezinarodnim pravu a styku“ von Josef L. Stehule, erschienen in Prag 1919, heißt es bezüglich des deutschen Volkstums in
den böhmischen Ländern:

„Bevor Deutschland sich seiner besinnt, wird das ganze böhmische Gebiet ohne jede Gewalt tschechisiert sein. Wenn dieser Prozeß nicht schnell genug vonstatten geht, schreiten wir zur AUSSIEDELUNG des deutschen Elements.“

Bereits 1919 sagte der tschechische Finanzminister Rasin auf einer Nimburger Parteiversammlung folgendes:

„der tschechische Staat, den wir uns erkämpft haben, muß ein tschechischer
bleiben. Wir haben nach dem Friedensvertrag das Recht, unsere Sache so einzurichten, als ob andere Nationalitäten überhaupt nicht existierten.“

Ebenso 1919 sagte der Univ. Prof. Mares im Kulturausschuß des Nationalrates:

„Es wäre ein Wahnsinn, das Streben an den Tag zu legen, die Deutschen für die Republik zu gewinnen. Diese Politik ist absurd. Wer da glaubt, den Deutschen ihren jetzigen Besitzstand im Staate zu lassen, handelt entweder aus Angst vor den Deutschen oder in der Hoffnung auf die Deutschen. Auch eine solche Angst und eine solche Hoffnung ist nationaler Verrat.“

Aus Anlaß des großen Sokolfestes des Jahres 1919 in Prag erschien in der Prager Zeitschrift „Zlata Praha“ in einem Begrüßungsartikel unverhohlen die Aufforderung:

„…die tschechischen Legionäre mögen die Deutschen über die Grenzen peitschen..“

Im Oktober l921 äußerte der Prager Bürgermeister, Dr. Baxa, bei einer
Versammlung tschechischer Minderheiten in Budweis:

„Unsere Politik den Deutschen gegenüber darf keine versöhnliche sein; das tschechische Volk sollte im Gegenteil erkennen, daß wir die Deutschen fürchten müssen und danach unsere Politik einzustellen haben.“

Die in Prag erscheinende deutsche Zeitung „Bohemia“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 7. Juli 1923 über eine Feier in der Garnison Postelberg, und gab den Inhalt
einer Rede eines Advokaten aus Prag wieder, der vor versammelter Mannschaft (deutschen und tschechischen Soldaten, A.d.B.V.) die angestrebte
Vorgangsweise, den Sudetendeutschen gegenüber, präzisierte:

„Wir Tschechen müssen trachten, daß wir die deutsche Industrie an uns reißen. Solange nicht der letzte Kamin der deutschen Fabriken verschwindet, solange müssen wir kämpfen. Die Deutschen haben hier kein Recht. Man soll bei ihnen
nicht kaufen, damit sie auswandern, die Grenze offen, und sie können nach ihrem großen deutschen Reich oder Deutsch-Österreich auswandern.“

Auch das Zentralorgan der tschechischen Agrarpartei, die im Jahr 1924
den Ministerpräsidenten Svehla stellte, bedauerte in ihren Blatt „Venkov“ (das
Land), das die Sudetendeutschen nach dem Zerfall der Danaumonarchie nicht die
Waffen gegen die Tschechen erhoben hätten, und gibt ihren Lesern in der
Ausgabe von 6.1.1924 zu verstehen, wie leicht die Endlösung des
Deutsch-Tschechischen Problems in diesen Falle hätte erfolgen können:

„Wie vereinfacht wären nach ihrer sicheren Niederlage unsere Verhältnisse in der Republik. Wir hätten die Pflicht, die besiegten Widersacher zu bestrafen. Und dann hätten die Deutschen nicht ein solches Kavaliersgeschenk erhalten, wie es unsere Wahlordnung in der Nationalversammlung ist, und vielleicht könnten sie sich an den Fingern abzählen, was aus ihrer Universität, aus ihren Hochschulen überhaupt, aus ihrer Presse usw. geworden wäre, kurz aus allem, was man ihnen gentlemanlike nach dem Umsturz gegeben oder gelassen hat.“

Das Presseorgan „Vecerni Ceske Slowo“ vom 19. 10. 1920 behauptete, daß man (die Tschechen d.V.) alles getan habe, um die Deutschen zu versöhnen. Das sei
alles. umsonst gewesen. Man solle sie lieber an Galgen und Kandelabern
aufhängen, als ihnen die Gleichberechtigung zu geben.

Das Olmützer Blatt „Pozor“ (Achtung) Ausgabe Nr. 270 vom 2. Oktober 1920
hetzte seine Leser mit folgenden Beschuldigungen gegen das deutsche Volk auf :

„Mit den Deutschen ringen wir schon mehr als 1000 Jahre. Sie sind in ihren Charakteranlagen und von Natur aus verbrecherisch und jede Kultur zwecklos. Es wirkt auf sie weder die Religion, noch die Wissenschaft, noch die Kunst, nichts verbessert oder verändert sie.“
Der damalige Präsident, T.G.Masaryk, sagte:

„…unsere historischen Grenzen stimmen ziemlich mit den ethnographischen überein. Nur die Nord- und Westränder des böhmischen Vierecks haben infolge der starken Einwanderung während des letzten Jahrhunderts eine deutsche Mehrheit. Für die Ausländer [sic!] wird man vielleicht einen gewissen modus vivendi schaffen, und wenn sie sich als loyale Bürger erweisen, ist es sogar möglich, dass ihnen
unser Parlament irgendeine Autonomie zubilligt, zumindest auf dem Gebiet des öffentlichen Unterrichts……..Im übrigen bin ich davon überzeugt, dass eine sehr rasche ENTGERMANISIERUNG dieser Gebiete vor sich gehen wird.“
(Le Matin, Paris, 10.1.1919).

Der physischen Vertreibung im Laufe der Nachkriegsgeschichte folgt eine zweite Vertreibung. Mindestens ebenso konsequent wurde von den staatlichen
Institutionen dieses Thema und überhaupt die deutsche Geschichte jenseits von
Oder, Neisse und Böhmerwald, der Donauschwaben, Siebenbürger und anderer deutschen Volksgruppen im südlichen Osteuropa allmählich aus dem kollektiven Gedächtnis in Österreich und der BRD herausgedrängt.

Und nun wurde unter gleicher Regie eine „Aufarbeitung“ zusammengestückelt
und diese am 4. März im ORF gesendet. Dabei trat zutage wie sehr das Wissen
über das Themengebiet nun schon verdrängt wurde und heute verschwunden ist.
Denn von Sachkenntnis kann in der Dokumentation von Lorenz Gallmetzer keine
Rede sein. Gleich zu Beginn wurde eine geographisch sonderbare, völlig
unsachliche Graphik präsentiert, in der zwar Ostpreußen, nicht aber
Hinterpommern, Ostbrandenburg, Schlesien, Westpreußen und die Provinz Posen erfasst wurden, und wo die Zahl der ostdeutschen Vertriebenen (bezogen auf deutsches Reichsgebiet von 1914 und Kongresspolen) mit 2,7 Millionen bestimmt wurde. In Wirklichkeit wurden aber von dort 14 Millionen Deutsche vertrieben !

Ist es Vergesslichkeit oder Absicht  wenn 11,3 Millionen Menschen aus der Statistik fallen ?

Auch die Millionen Russlanddeutschen wurden mit keinem Wort erwähnt. Alle Unrichtigkeiten dieser „Dokumentation“ aufzuzählen würde den Rahmen dieses Briefes übersteigen.

Die teilweise Benennung der Vertreibung als „Umsiedlung“ ist kennzeichnend für
den Euphemismus, dessen Sprachgebrauch sich quer durch die Sendung zog. Mildernde oder beschönigende Umschreibung für die Vertreibungen sind leider
üblich. Nicht auszudenken wenn es ein Beitrag über andere Opfergruppen
gewesen wäre.

Insgesamt fuhr der Beitrag auf der üblichen Schiene, zeitgeschichtliche Fakten nach politisch korrektem Belieben nennend oder auslassend. Ebenso banal die Gestaltung der musikalischen Untermalung.

Resümee:

Die Vertreibung ist ein eiskalt geplantes Nachkriegsverbrechen und wäre ohne
schon vorher vorhandene Absichten sicher nicht erfolgt. Von staatlicher Seite eine gewissenhafte, enttabuisierende Aufarbeitung dieses Themas zu erwarten, bleibt
auch im 63. Jahr nach der Vertreibung ein unerfüllter Wunsch.