Vortrag des Vorsitzenden zum Witikobund, seiner Herkunft und seinem Wirken

Mittwoch,20.November2013 von

Rede unseres Vorsitzenden bei der Landeskulturtagung der

SL-Hessen in Schlüchtern am 9. November 2013

Liebe Landsleute und Freunde der Landsmannschaft!

Zunächst bedanke ich mich für die Einladung, der ich gerne gefolgt bin, weil es wichtig ist, das Sudetenproblem in ständigem Fluss zu halten. Das ist heute, wie die Dinge liegen, wichtiger denn je. Denn das, was in Zukunft die größte Gefahr bilden könnte, ist nicht nur die jetzige Bundespolitik, nein, auch unsere eigene Heimatpolitik bringt uns an den Rand des Musealen und des Vergessens. Ein weiteres Verschweigen auf unser Recht nach Paragraph 3 der SL-Satzung, nämlich das Recht auf Heimat und Eigentum, ist, nach unserer Ansicht, töricht und vor allem nicht vorausschauend. Es würde weder den Tschechen noch den Sudetendeutschen einen wahrhaften Weg zur Versöhnung ermöglichen.

Freundschaft gründet auf Wahrheit und Ehrlichkeit und das muss auf gleicher Augenhöhe bereinigt werden. Tschechen haben das Problem der Rechtsunsicherheit, vor allem in den Randgebieten, denn immerhin hat das deutsche Innenministerium schriftlich bestätigt, dass wir vollkommen im Recht sind, seine Umsetzung aber aus Gründen der Deutsch-tschechischen Freundschaft nicht möglich ist.

 

Der Witikobund

Sie wollen heute von mir aber auch etwas über das geschichtliche Profil des Witikobundes erfahren. Um hier einzusteigen, ist Schlüchtern kein schlechter Ort, denn wenn 2013 ein Witikone aus Bayern nach Osthessen kommt, möchte er am liebsten gleich weiterfahren bis zum Hohen Meißner in Nordhessen, wo vor wenigen Wochen die Jugendbewegten Deutschlands zusammenkamen, um an das erste Jugendtreffen vor 100 Jahren zu erinnern. Der Grund: Zur Ahnenreihe des Witikobundes gehören auch der Sudetendeutsche Wandervogel und die bündische Jugend. Dem Witikobund geht es damit genauso wie den beiden anderen sudetendeutschen Gesinnungsgemeinschaften. Wie diese, hat auch er seine historischen Wurzeln in der früheren Heimat.

 

Die Wurzeln in der früheren Heimat.

Beim Witikobund kommt zu dem Wandervogel-Bezug noch die sehr starke Verbindung zum sudetendeutschen Turnertum hinzu. Von letzterem ist heute bei den Witikonen altersbedingt nichts mehr vorhanden. Früher lagen jedoch dem Witikobrief die Ausschreibungen zu den großen Turnertreffen bei, weil viele Turner eben auch Witikonen waren.

Auch vom Bezug zur Jugendbewegung findet man in unseren Reihen heute nur noch geringe Spuren. Lange Zeit war es noch üblich, dass sich frühere Wandervögel oder Angehörige der bündischen Jugend zu gemeinsamen Wochenenden trafen. Ein Treffpunkt war beispielsweise die Jugendherberge hier in der Nähe im hessischen Städtchen Schlitz. Das ist eingeschlafen. Die letzte Wandervogel-Spur ist wahrnehmbar, wenn zu Beginn eines Witiko-Treffens ein Wanderlied angestimmt wird. Dabei beschämen die älteren Semester uns Jüngere meist mit erstaunlicher Textsicherheit. Wir Jüngeren benötigen meist ein Faltblatt zum Ablesen des Textes, wenn wir mitsingen wollen.

 

Der Kameradschaftsbund

Hinter der Verbindung zur sudetendeutschen Jugendbewegung verbirgt sich allerdings auch das Problem des Kameradschaftsbundes. Dieser ging 1925 aus einer „Älteren-Gemeinschaft“ der bündischen Jugend hervor und interessierte sich auch für gesellschaftliche Fragen. Das war ja auch der Unterschied zwischen der bündischen Jugend der Zwischenkriegszeit und dem Wandervogel von vor

1914, also von vor dem Ersten Weltkrieg. Ihm genügten nicht mehr das romantische Naturerlebnis und große Wanderfahrten, sondern er wollte sich in das öffentliche Leben einbringen.

Nun zurück zum Kameradschaftsbund (KB). Der KB war unleugbar das Reservoir, aus der Henlein gleich nach der Parteigründung seine engsten Mitarbeiter holte. Zu nennen sind Dr. Brand, Dr. Sebekovsky, Dr. Köllner, Heinz Rutha und viele andere mehr.

Bevor jetzt aber überall die Alarmglocken läuten, muss klargestellt werden, dass die Ziele des Kameradschaftsbundes absolut unvereinbar waren mit denen des NS.

Der KB wünschte die Autonomielösung und folgte dem Staatsmodell Othmar Spanns, das einen katholisch geprägten Ständestaat vorsah.

Der Hauptvorwurf der Nationalsozialisten gegen den KB lautete denn auch, er wolle die Sudetendeutschen vom deutschen Volkskörper abtrennen und verschweizern. Dieser Vorwurf kam vor allem aus Berlin und wurde aufgegriffen vom sog. Aufbruch-Kreis um Karl Hermann Frank.

Die Vertreter des KB wurden in der Sudetendeutschen Partei bald an den Rand gedrängt, und für die meisten endete das Politikerdasein 1938/1939 in einem Gefängnis in Dresden. Dr. Walter Becher schrieb, dass ganze Hundertschaften ehemaliger Kameradschaftsbündler so endeten, darunter auch er selbst und vor allem Dr. Brand, der bis 1945, also sechs Jahre lang, im KZ blieb. Wer nicht inhaftiert wurde, der wurde per Einberufungsbefehl an die Front geschickt. So wurden 1940 Dr. Köllner und Dr. Wilhelm Sebekovsky „entsorgt“, wobei letzterer sogar als Regierungspräsident in Karlsbad einberufen wurde. Auch Othmar Spann wanderte bei den Nazis 1938 sofort ins KZ, wo er durch Folter schwere gesundheitliche Schäden davontrug.

 

Nach der Apokalypse, also nach der Vertreibung

Die Ackermanngemeinde hatte sich schon 1946 gegründet, und ihr folgte die Seligergemeinde 1950. Dazwischen lagen die ersten Anfänge des Witikobundes. Ende 1947 traf man sich zum ersten Male in Waldkraiburg. Die Grundidee war wieder die Schaffung einer überparteilichen Gruppe, die sich frei vom Parteienhader gegen den Missbrauch von Macht wenden und der Sudetendeutschen Volksgruppe als Ganzem dienen wollte. Es gelang, gottlob, die einstigen Kontrahenten, also auch die Aufbruch-Leute, für dieses Ziel zu gewinnen. Walter Becher schreibt in seinen Memoiren: „Der Bund, der daraus entstand, erschien vielen wie ein Wunder, führte er doch Gruppen zusammen, die sich in der Spätentwicklung der Sudetendeutschen Partei zum Teil bis aufs Messer bekämpft hatten.“

Eine etwas festere Form nahm die Gemeinschaft am 1.10.1950 in Stuttgart an. Man war aber immer noch kein eingetragener Verein. Das kam dann 1958 hinzu. 1950 war aber das Jahr, in dem der Witikobund seinen Namen erhielt. Den Vorschlag machte Dr. Becher, der Parallelen zu Stifters Gestalt Witiko erkannt hatte.

Wie bei diesem verläuft auch für den Witikobund im Konfliktfall die Bruchlinie nie entlang der nationalen Unterschiede, sondern immer nur dort, wo Recht und Moral verletzt werden.

Bei Stifter fanden die Ur-Witikonen des Jahres 1950 auch das „Sanfte Gesetz“, das den im Kleinen organisch und behutsam wachsenden Vorgängen eine größere Bedeutung zumisst, als spektakulären und revolutionären Umstürzen.

 

Während der Gründungsphase von 1950 beteiligte sich der WB schon zusammen  mit der Seliger- und der Ackermanngemeinde an der Ausarbeitung der Eichstätter Erklärung. Überhaupt arbeiteten die drei Gesinnungsgemeinschaften lange Jahre eng zusammen. Es sei nur daran erinnert, dass Dr. Becher, Almar Reitzner und Hans Schütz schon 1947 gemeinsam die „Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen“ ins Leben gerufen hatten.

 

1950 zog man im Bundestag an einem Strang und erreichte die „Obhutserklärung“ für die sudetendeutsche Volksgruppe.

1960 betonte Wenzel Jaksch in einem Grußwort an die Jahresversammlung des WB: „Über die Bedeutung der Gesinnungsgemeinschaften sind wir uns wohl einig. Es ist mir aber ein Bedürfnis hinzuzufügen, dass der WB im Dreiklang der Sudetendeutschen Gesinnungsgemeinschaften unentbehrlich ist….“

 

Zu diesem Zeitpunkt hatte der WB bereits die Mitgliederzahl von 600 überschritten. Man warf dem WB vor, alle anderen Organisationen zu unterwandern. Das stimmte natürlich nicht. Wenn dieser Eindruck entstand, lag das an der besonderen Motivation und Qualifikation seiner Mitglieder. Im WB hatte sich das gehobene Bürgertum versammelt. Die Zahl der Ärzte, Rechtsanwälte und Ingenieure lag erkennbar über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Das brachte es mit sich, dass eine ganze Reihe von Witikonen in der Regierungsbürokratie tätig war, zumal der BHE in den frühen Jahren der Bundesrepublik mitunter Regierungspartei war und Ministerposten besetzte. Von einer Unterwanderung kann dabei aber keine Rede sein.

 

Die Arbeit des WB

Inhaltlich beschäftigte sich der WB von Anfang an mit der Abwehr von Propagandalügen der verschiedensten Herkunft. So wandte er sich 1958 gegen das bekannte Münchener IfZ (Institut für Zeitgeschichte), das dem Bayrischen Kultusministerium empfohlen hatte, das Buch von Boris Celovsky über das Münchner Abkommen zur Grundlage des Geschichtsunterrichts zu machen. 1959 zerpflückte er den von Chruschtschow vorgelegten Friedensplan. Die Programmatik des WB wurde den Problemen des Kalten Krieges überhaupt besser gerecht als die der beiden anderen Gesinnungs-gemeinschaften, weshalb er sicherlich auch eine größere Zahl von Menschen ansprach.

Einschneidend in doppelter Hinsicht war 1973 die neue Ostpolitik Willy Brandts. Einmal neigte der Witikobund eher zur Ansicht Gerald Fords, des späteren US-Präsidenten, der meinte, Brandt hätte etwas weggegeben, was er nicht weggeben musste und wofür er nichts bekommen werde.

Zum anderen begann damals die Polarisierung unter den Gesinnungsgemeinschaften. Die Seligergemeinde griff in falsch verstandener Solidarität mit der SPD den WB und damit auch die SL an, denn deren Sprecher war der Witikone Dr. W. Becher.

 

Der Kontakt zur SL-Spitze, sprich zu Franz Neubauer, war noch 1994 eng und vertrauensvoll. So formulierte dieser mit dem Vorsitzenden des Witikobundes und dessen beiden Stellvertretern zusammen eine Heimatpolitische Resolution, die von der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft einstimmig angenommen wurde. Die Kernsätze daraus möchte ich zitieren, damit das heimatpolitische Profil des WB deutlich wird:

Punkt 4 lautet: Den Sudetendeutschen muss als Bestandteil des Selbstbestimmungsrechtes das Recht auf die Heimat und das Recht auf Rückkehr in die Heimat zuerkannt werden.

Punkt 5: Das konfiszierte Eigentum muss zurückgegeben werden, ggf. sind Entschädigungslösungen zu finden.

Diese Sätze stehen in Übereinstimmung mit der SL-Satzung und sprechen nur Selbstverständlich-keiten aus.

Weitere Aktionen heute: Sie, liebe Zuhörer, wollen aber auch wissen, was wir heute konkret tun. Hier ein Querschnitt:

Schon im September 2012 entsandten wir eine Delegation nach Brüssel als Beobachter im Petitions-ausschuss der EU, wo zwei ungarische Staatsbürger gegen die Benesch-Dekrete vorgingen. Leider hat sich dort niemand von der SL blicken lassen. Eigene Petitionen reichten Mitglieder von uns im Namen der Bezirke Oberbayern und Bayrisch Schwaben ebenfalls in Brüssel ein, die zumindest die Anfangshürden bereits genommen haben. Eines unserer Mitglieder unternimmt juristische Schritte gegen die Diskriminierung Sudetendeutscher bei Rehabilitationsverfahren in Tschechien.

 

Anlässlich des Necas-Besuches 2013 veranstalteten wir eine Mahnwache in München. Unserem Bohren war es auch zu verdanken, dass Necas in Dachau auch einen Kranz für die sudetendeutschen Opfer niederlegte.

Am Sudetendeutschen Tag in Augsburg organisierten wir in Halle 7 eine „Gasse der Wahrheit“, in der auch uns nahestehende Gruppen ihre Stände hatten.

Das Rückgrat unserer Öffentlichkeitsarbeit ist der Witikobrief. Er erscheint viermal im Jahr und kann für 16 Euro im Jahresabonnement bezogen werden. Blätter wie er sind unverzichtbar, weil er unzensiert die Finger in die offenen Wunden legt. Unsere Ziele haben wir noch einmal in der Brannenburger Erklärung vom Jänner 2013 umrissen.

Der Witikobund unterhält eine Homepage, auch in Tschechisch, und zählt auf Facebook mehrere hundert Freunde.

In Westböhmen verfolgen wir mit anderen ein Pilotprojekt mit deutsch-tschechischen Landschafts-gärtnern zur Rekonstruktion verfallener Landschaften.

Schon eingangs habe ich gesagt, dass die drei Gesinnungsgemeinschaften wie Teile eines Triptychons unserer Volksgruppe angesehen werden können, über das sich die SL als überparteiliches, nur dem Recht und der Wahrheit verpflichtetes Gewölbe ausbreitet.

Wir wollen mit allen Gemeinschaften zusammenarbeiten, wir bieten ihnen an, gemeinsam für unsere Volksgruppe und gegen jegliche Vertreibung vorzugehen. Es sind zur Stunde 44 Millionen Menschen auf der Flucht oder in Vertreibung. Und wenn wir keine klaren Grenzen und das Einhalten der Menschenrechte fordern, ja, wer soll es dann tun? Daher kritisieren wir auch die EU. Sie wurde im Kampf gegen die weltweite Vertreibung unglaubwürdig, weil sie die CR ohne vorherigen Beseitigung der Altlasten aufnahm.

Oft hat der Witikobund intern diskutiert, was eigentlich seine Aufgabe sei. Seit die SL in großen Teilen keine klare Kontur mehr abgibt, ist diese Frage beantwortet: Aufgabe und Pflicht jedes Witikonen ist es, Recht und Wahrheit der Volksgruppe gegen alle Anfeindungen und Intrigen zu verteidigen. Sie fordern die Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte, auch wenn es anderen nicht gefällt.

Sie tun das auch in einem übergeordneten Interesse, und das sollte man sich gut merken:

Indem sie Recht und Wahrheit in ihrem kleinen Bereich verteidigen, kämpfen sie auch gegen die allgemeine Verluderung des Rechts an, an deren Ende so unschöne Sachen wie der Bruch des Lissabon-Vertrages oder die willkürliche Tötung von Menschen aus der Luft durch Drohnen stehen.

Wir Witikonen werden auch in Zukunft, nach unseren Möglichkeiten die Rechte unserer Volkgruppe vertreten. Danke!

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