Tschecoslowakai in den USA gegründet

Mittwoch,16.April2014 von

Bis zum Niedergang der Österreichisch-Ungarischen Monarchie am Ende des Ersten

Weltkrieges im Jahre 1918 gehörten die Sudetendeutschen als Bürger zum Kaiserreich und

waren bereits damals auf Grund ihres Fleißes und ihrer Leistungskraft oft Zielscheibe für

Übergriffe slawischer Volksgruppen in dem Vielvölkerstaat. Die Versailler Siegermächte

zerstückelten zwar die Österreichisch-Ungarische Monarchie und diffamierten sie

als „Völkerkerker“, schufen aber gleichzeitig zahlreiche kleinere Staaten mit gleichartigen

Nationalitätenproblemen, allerdings diesmal mit dem Unterschied, dass sie ihren

begünstigten kleinen Völkern einen Freibrief gaben, die ihnen willkürlich eingegliederten

anderen Nationalitäten nach Gutdünken unterdrücken, wirtschaftlich ruinieren, enteignen,

austreiben zu können, wobei die ihnen auferlegten Minderheitenschutzverträge nur eine

unwirksame Alibi-Funktion erfüllten. Die besiegten Deutschen und insbesondere die der

Tschechoslowakei zwangsweise einverleibten Sudetendeutschen hatten darunter am meisten

zu leiden.

Die Tschechoslowakei wurde von nicht legitimierten Exil-Tschechen und -Slowaken

unter Vorsitz von Thomas Masaryk am 31.5.1918 im sog. Pittsburger Vertrag ins Leben

gerufen. Woodrow Wilson, der von den Zusammenhängen Europas oder gar Osteuropas

nachweislich keinerlei Kenntnisse hatte, erkannte den tschechoslowakischen Nationalrat am

2.9.1918 als De-facto-Regierung an. Frankreich folgte acht Tage später. Nach Konstituierung

der provisorischen Regierung mit Thomas Masaryk als Staatspräsidenten am 14.10.1918

vollzogen diese Anerkennung sogar als kriegführende Macht auch die übrigen alliierten

und assoziierten Mächte, da im Sommer 1918 hastig ein tschechisches Regiment im Elsass

zusammengestellt und in Russland desertierte tschechische Legionäre gesammelt worden

waren.

Keine der inzwischen auf diese Weise „einverleibten“ Nationalitäten, die sogar die Mehrheit

dieses Staatsgebildes von knapp über 14 Millionen Menschen ausmachten (6 Millionen

Tschechen, 3,5 Millionen Sudetendeutsche, 3 Millionen Slowaken, 800.000 Ungarn, 700.000

Ruthenen, 76.000 Polen, 13.000 Rumänen) wurde jemals hierzu um ihre Meinung befragt.

Das Sudetenland war fast so groß wie Belgien; seine Bevölkerungszahl übertraf die der

Litauer, Esten oder Letten, die alle ihren eigenen Staat erhalten haben.

Generalsekretär Eduard Benesch avancierte zum „Außenminister“ und

anerkannten „Kollegen“ der „Friedensmacher“. Benesch ließ in seinem Memoire III

3,5 Millionen Sudetendeutsche kurzerhand verschwinden und forderte mit gefälschten

Landkarten Fantasiegrenzen für den tschechoslowakischen Staat, die es nie zuvor gegeben

hatte. Er erhielt sie! Für ihn bedeutete das aber nur den Anfang. Er fühlte sich ausersehen

und aufgerufen, nun auch mit den Deutschen fertig zu werden – in „seinem“ Land und auch

sonst –, wusste er sich in Versailles doch von vielen „Freunden“ umgeben, die, wie er, einen

gewaltigen Raubzug gegen Deutschland organisierten. Die neuen Grenzen forderte er u.a. mit

dem Hinweis darauf, dass die neue CSR ohne das industriell stark entwickelte Sudetenland

nicht lebensfähig sei.

Präsident Woodrow Wilson, von einem Journalisten befragt, was er denn mit den 3,5

Millionen Sudetendeutschen machen wolle, die er in die Tschechoslowakei einverleibt habe,

gab zu, nichts von diesen zu wissen. „Davon hat mir Masaryk nie etwas erzählt.“6) S. 143f

Die Versailler US-Delegation verfügte zwar über durchaus sachkundige Männer, doch

wurden sie übergangen. Sonderberater Prof. Dr. Archibald Cary Coolidge war einer von

ihnen. In einem Bericht vom 10. März 1919 stellte er fest:

„(…) Würde man den Tschechoslowaken das ganze Gebiet zuerkennen, das sie beanspruchen,

so wäre das nicht nur eine Ungerechtigkeit gegenüber vielen Millionen Menschen, die

nicht unter tschechische Herrschaft gelangen wollen, sondern es wäre auch für die Zukunft

des neuen Staates gefährlich und vielleicht verhängnisvoll. Die Beziehungen zwischen

Deutschen und Tschechen in Böhmen sind in den letzten drei Monaten immer schlechter

geworden. Heute besteht zwischen ihnen tiefe Feindschaft und es ist kein Grund für die

Erwartung vorhanden, dass diese Feindschaft in naher Zukunft überwunden werden wird.

Das Blut, das am 4. März geflossen ist, als tschechische Soldaten in mehreren Städten auf

die deutsche Menge feuerten, ist – obwohl es im Vergleich zu den Opfern, deren Zeugen

wir geworden sind, nur ein Tropfen ist – auf eine Art und Weise vergossen worden, die

nur schwer verziehen werden kann. Mag auch im vergangenen November in deutschen

Kreisen aus wirtschaftlichen Gründen eine gewisse Bereitschaft bestanden haben, die

politische Gemeinschaft mit den Tschechen aufrechtzuerhalten, so ist sie heute so gut wie

verschwunden…

 

Betrachtet man die Grenzen Böhmens und Mährens der Reihe nach, so bin ich der Ansicht,

dass

a) im Süden Nieder- und Oberösterreich so weit als möglich bis zur jetzigen ethnischen

Grenzlinie (…) auszudehnen wäre,

b) dem Bezirk Eger, der nicht zum ursprünglichen Böhmen gehört, die Vereinigung mit

Bayern gestattet werden sollte, wenn er dies wünscht,

c) im Fall des großen, reichen Nordböhmen ist die Frage viel schwieriger. Von Sachsen

ist es durch natürliche Hindernisse getrennt; es ist von großem wirtschaftlichem Wert

und sein Verlust wäre für die Tschechoslowaken ein schwerer Schlag. Wenn andererseits

– was offensichtlich der Fall ist – der Wunsch nach einer Trennung von Böhmen mit

überwältigender Mehrheit laut wird, so ist die Rechtmäßigkeit dieses Anspruchs nicht

zu bestreiten. Wird er erfüllt, so sollte man in Zweifelsfällen zu tschechischen Gunsten

entscheiden. Wird er nicht erfüllt, so müsste dem Gebiet von Eger eine größtmögliche

Ausdehnung gegeben und auch noch andernorts Modifikationen im Rahmen des Möglichen

durchgeführt werden.

d) Das sog. »Sudetenland« kann leicht von Böhmen und Mähren abgetrennt werden.

Unglücklicherweise hat es keine Verbindung mit Österreich oder dem übrigen

Deutschböhmen. Es könnte als Kleinstaat innerhalb der neuen deutschen Republik bestehen

oder mit Preußisch-Schlesien verbunden werden.“1)

Der US-amerikanische Außenminister Robert Lansing hatte vor dem „Rat der Vier“

offenen Widerstand gegen die Einverleibung deutscher Gebiete in die Tschechoslowakei

geleistet, eine Volksabstimmung gefordert und sich dagegen verwahrt, die Grenzziehung als

strategische Größe vorzunehmen.

„Es können Jahre vergehen, bis diese unterdrückten Völker ihr Joch abschütteln, aber so

sicher wie der Tag auf die Nacht folgt, kommt die Zeit, wo sie die nötigen Anstrengungen

machen werden. Diesen Krieg (ersten Weltkrieg, d. Verf.) haben die Vereinigten Staaten

geführt, um die Ursachen zu vernichten, die ihn heraufbeschworen haben. Die Ursachen

sind nicht vernichtet. Sie sind durch andere Umstände, die gleichfalls Hass, Eifersucht und

Verdächtigungen hervorrufen, ersetzt worden.“2)

Er scheiterte gegen den Willen der Franzosen.

Der britische Premier Lloyd George verwies zusätzlich auf die Gefahr, die Europa drohe,

falls ein allzu ungerecht behandeltes Deutschland in die Arme des Bolschewismus getrieben

würde:

„Der bolschewistische Imperialismus, meine Herren, bedroht die Welt. Deutschland muss

durch gemäßigte Bedingungen gewonnen werden, denn von dort werden einmal die Kräfte

kommen müssen, die auch für uns die Entscheidung zu schlagen haben.“3) S. 74–75

 

Zwar wurde dem neuen tschechoslowakischen Staat, deren Verhandlungsführer ausschließlich

Tschechen waren, mit Abschluss der Versailler Verhandlungen am 10.9.1919 ein

Minderheitenschutz-Vertrag aufgenötigt, der sogar vom Prager Parlament am 3.11.1919

ratifiziert wurde, doch haben sich die Tschechen gegenüber keiner ihrer Minderheiten je daran

gehalten, wohl wissend, dass der Völkerbund dies schweigend ignorieren würde.

Das nicht legitimierte tschechische Gremium erließ sogleich vom 14.11.1918 an mit

Anerkennung der neuen Republik, der Verfassung und Nationalversammlung – also noch vor

Abschluss der Versailler Verhandlungen! – bis zur ersten Parlamentswahl im Frühjahr 1920

410 Gesetze, darunter die Staatsverfassung, und weitere 770 Verordnungen mit Gesetzeskraft,

die auch über das Jahr 1920 hinaus Geltung hatten.

So blieb das in Versailles 1919 feierlich proklamierte „Selbstbestimmungsrecht der Völker“

als Grundsatz für die innenpolitische Gestaltung eines Staates wie auch für das internationale

Zusammenleben der Völker von Anfang an eine Farce.

Der tschechische Staatspräsident Thomas Masaryk, von den Völkerbundsmächten, die ihre

Aufgabe darin sahen, die Versailler Friedensbedingungen „völkerrechtlich“ abzusichern,

unterstützt, verkündete bereits am 22.12.1918 anlässlich seiner ersten Botschaft an die

Tschechoslowakische Nation in Prag (tags zuvor war er erst dort eingetroffen):

 

„Das von den Deutschen bewohnte Gebiet ist und bleibt unser Gebiet!“4) S. 99

Die Deutschen wertete er als Emigranten und Kolonisten ab, wohl um davon abzulenken, dass

er selbst Emigrant und nur durch Nachkommen von Kolonisten zur Macht gehievt worden

war.

Am 1. Januar 1919 erklärte er in seiner Neujahrsbotschaft:

„Über Autonomie wird nicht verhandelt!“

Der Präsident der tschechischen Völkerbunds-Liga am selben Tag im Prager Parlament:

„Es wäre Wahnsinn, das Streben an den Tag zu legen, die Deutschen für die Republik zu

gewinnen. Diese Politik ist absurd. Wer da glaubt, den Deutschen ihren jetzigen Besitzstand

im Staat zu belassen, handelt entweder aus Angst vor den Deutschen oder in der Hoffnung auf

die Deutschen. Auch eine solche Angst und eine solche Hoffnung ist nationaler Verrat.“ 3) S.70

Wenige Tage später, am 10.1.1919 zum französischen Massenblatt Matin:

„Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass eine sehr rasche Entgermanisierung dieser Gebiete

vor sich gehen wird.“

Nicht einmal Selbstverwaltung gestand dieser Staat seinen zu „Minderheiten“ deklassierten

Nationalitäten zu.

Der spätere tschechische Finanzminister Raschin reduzierte die nachfolgend abgeschlossenen

Minderheitenschutzverträge in einer Parteiversammlung in Nimburg/Böhmen auf die Formel:

„Wir haben nach dem Friedensvertrag das Recht, unsere Sachen so einzurichten, als ob andere

Nationalitäten überhaupt nicht existierten. Wir müssen mit niemandem verhandeln oder uns

ausgleichen.“3) S. 71

Den kooperationsbeflissenen Führer der deutsch-böhmischen Sozialdemokraten, Josef

Seliger, fertigte er mit den Worten ab: „Mit Rebellen verhandeln wir nicht.“5) S. 77

 

Fußnoten:

1) Anmerkung: Die Prüfung obiger Vorschläge ergibt ein beträchtliches Maß von Ähnlichkeit mit der im Herbst l938

erzielten Grenzregelung.

2) Robert Lansing, The Peace Negotiations, New York 1920, S. 244 ff; Ferdinand Durcansky, Die slowakische Frage eine

internationale Frage, München 1954, S. 12.

3) Reinhard Pozorny, Wir suchten die Freiheit, Vlotho 1978.

4) Hans Krebs, Kampf in Böhmen, Berlin 1938.

5) E. J. Reichenberger, Wider Willkür und Machtrausch, Graz – Göttingen 1955.

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