Tschechoslowakai in den USA gegründet
Bis zum Niedergang der Österreichisch-Ungarischen Monarchie am Ende des Ersten
Weltkrieges im Jahre 1918 gehörten die Sudetendeutschen als Bürger zum Kaiserreich und
waren bereits damals auf Grund ihres Fleißes und ihrer Leistungskraft oft Zielscheibe für
Übergriffe slawischer Volksgruppen in dem Vielvölkerstaat. Die Versailler Siegermächte
zerstückelten zwar die Österreichisch-Ungarische Monarchie und diffamierten sie
als „Völkerkerker“, schufen aber gleichzeitig zahlreiche kleinere Staaten mit gleichartigen
Nationalitätenproblemen, allerdings diesmal mit dem Unterschied, dass sie ihren
begünstigten kleinen Völkern einen Freibrief gaben, die ihnen willkürlich eingegliederten
anderen Nationalitäten nach Gutdünken unterdrücken, wirtschaftlich ruinieren, enteignen,
austreiben zu können, wobei die ihnen auferlegten Minderheitenschutzverträge nur eine
unwirksame Alibi-Funktion erfüllten. Die besiegten Deutschen und insbesondere die der
Tschechoslowakei zwangsweise einverleibten Sudetendeutschen hatten darunter am meisten
zu leiden.
Die Tschechoslowakei wurde von nicht legitimierten Exil-Tschechen und -Slowaken
unter Vorsitz von Thomas Masaryk am 31.5.1918 im sog. Pittsburger Vertrag ins Leben
gerufen. Woodrow Wilson, der von den Zusammenhängen Europas oder gar Osteuropas
nachweislich keinerlei Kenntnisse hatte, erkannte den tschechoslowakischen Nationalrat am
2.9.1918 als De-facto-Regierung an. Frankreich folgte acht Tage später. Nach Konstituierung
der provisorischen Regierung mit Thomas Masaryk als Staatspräsidenten am 14.10.1918
vollzogen diese Anerkennung sogar als kriegführende Macht auch die übrigen alliierten
und assoziierten Mächte, da im Sommer 1918 hastig ein tschechisches Regiment im Elsass
zusammengestellt und in Russland desertierte tschechische Legionäre gesammelt worden
waren.
Keine der inzwischen auf diese Weise „einverleibten“ Nationalitäten, die sogar die Mehrheit
dieses Staatsgebildes von knapp über 14 Millionen Menschen ausmachten (6 Millionen
Tschechen, 3,5 Millionen Sudetendeutsche, 3 Millionen Slowaken, 800.000 Ungarn, 700.000
Ruthenen, 76.000 Polen, 13.000 Rumänen) wurde jemals hierzu um ihre Meinung befragt.
Das Sudetenland war fast so groß wie Belgien; seine Bevölkerungszahl übertraf die der
Litauer, Esten oder Letten, die alle ihren eigenen Staat erhalten haben.
Generalsekretär Eduard Benesch avancierte zum „Außenminister“ und
anerkannten „Kollegen“ der „Friedensmacher“. Benesch ließ in seinem Memoire III
3,5 Millionen Sudetendeutsche kurzerhand verschwinden und forderte mit gefälschten
Landkarten Fantasiegrenzen für den tschechoslowakischen Staat, die es nie zuvor gegeben
hatte. Er erhielt sie! Für ihn bedeutete das aber nur den Anfang. Er fühlte sich ausersehen
und aufgerufen, nun auch mit den Deutschen fertig zu werden – in „seinem“ Land und auch
sonst –, wusste er sich in Versailles doch von vielen „Freunden“ umgeben, die, wie er, einen
gewaltigen Raubzug gegen Deutschland organisierten. Die neuen Grenzen forderte er u.a. mit
dem Hinweis darauf, dass die neue CSR ohne das industriell stark entwickelte Sudetenland
nicht lebensfähig sei.
Präsident Woodrow Wilson, von einem Journalisten befragt, was er denn mit den 3,5
Millionen Sudetendeutschen machen wolle, die er in die Tschechoslowakei einverleibt habe,
gab zu, nichts von diesen zu wissen. „Davon hat mir Masaryk nie etwas erzählt.“6) S. 143f
Die Versailler US-Delegation verfügte zwar über durchaus sachkundige Männer, doch
wurden sie übergangen. Sonderberater Prof. Dr. Archibald Cary Coolidge war einer von
ihnen. In einem Bericht vom 10. März 1919 stellte er fest:
„(…) Würde man den Tschechoslowaken das ganze Gebiet zuerkennen, das sie beanspruchen,
so wäre das nicht nur eine Ungerechtigkeit gegenüber vielen Millionen Menschen, die
nicht unter tschechische Herrschaft gelangen wollen, sondern es wäre auch für die Zukunft
des neuen Staates gefährlich und vielleicht verhängnisvoll. Die Beziehungen zwischen
Deutschen und Tschechen in Böhmen sind in den letzten drei Monaten immer schlechter
geworden. Heute besteht zwischen ihnen tiefe Feindschaft und es ist kein Grund für die
Erwartung vorhanden, dass diese Feindschaft in naher Zukunft überwunden werden wird.
Das Blut, das am 4. März geflossen ist, als tschechische Soldaten in mehreren Städten auf
die deutsche Menge feuerten, ist – obwohl es im Vergleich zu den Opfern, deren Zeugen
wir geworden sind, nur ein Tropfen ist – auf eine Art und Weise vergossen worden, die
nur schwer verziehen werden kann. Mag auch im vergangenen November in deutschen
Kreisen aus wirtschaftlichen Gründen eine gewisse Bereitschaft bestanden haben, die
politische Gemeinschaft mit den Tschechen aufrechtzuerhalten, so ist sie heute so gut wie
verschwunden…
Betrachtet man die Grenzen Böhmens und Mährens der Reihe nach, so bin ich der Ansicht,
dass
a) im Süden Nieder- und Oberösterreich so weit als möglich bis zur jetzigen ethnischen
Grenzlinie (…) auszudehnen wäre,
b) dem Bezirk Eger, der nicht zum ursprünglichen Böhmen gehört, die Vereinigung mit
Bayern gestattet werden sollte, wenn er dies wünscht,
c) im Fall des großen, reichen Nordböhmen ist die Frage viel schwieriger. Von Sachsen
ist es durch natürliche Hindernisse getrennt; es ist von großem wirtschaftlichem Wert
und sein Verlust wäre für die Tschechoslowaken ein schwerer Schlag. Wenn andererseits
– was offensichtlich der Fall ist – der Wunsch nach einer Trennung von Böhmen mit
überwältigender Mehrheit laut wird, so ist die Rechtmäßigkeit dieses Anspruchs nicht
zu bestreiten. Wird er erfüllt, so sollte man in Zweifelsfällen zu tschechischen Gunsten
entscheiden. Wird er nicht erfüllt, so müsste dem Gebiet von Eger eine größtmögliche
Ausdehnung gegeben und auch noch andernorts Modifikationen im Rahmen des Möglichen
durchgeführt werden.
d) Das sog. »Sudetenland« kann leicht von Böhmen und Mähren abgetrennt werden.
Unglücklicherweise hat es keine Verbindung mit Österreich oder dem übrigen
Deutschböhmen. Es könnte als Kleinstaat innerhalb der neuen deutschen Republik bestehen
oder mit Preußisch-Schlesien verbunden werden.“1)
Der US-amerikanische Außenminister Robert Lansing hatte vor dem „Rat der Vier“
offenen Widerstand gegen die Einverleibung deutscher Gebiete in die Tschechoslowakei
geleistet, eine Volksabstimmung gefordert und sich dagegen verwahrt, die Grenzziehung als
strategische Größe vorzunehmen.
„Es können Jahre vergehen, bis diese unterdrückten Völker ihr Joch abschütteln, aber so
sicher wie der Tag auf die Nacht folgt, kommt die Zeit, wo sie die nötigen Anstrengungen
machen werden. Diesen Krieg (ersten Weltkrieg, d. Verf.) haben die Vereinigten Staaten
geführt, um die Ursachen zu vernichten, die ihn heraufbeschworen haben. Die Ursachen
sind nicht vernichtet. Sie sind durch andere Umstände, die gleichfalls Hass, Eifersucht und
Verdächtigungen hervorrufen, ersetzt worden.“2)
Er scheiterte gegen den Willen der Franzosen.
Der britische Premier Lloyd George verwies zusätzlich auf die Gefahr, die Europa drohe,
falls ein allzu ungerecht behandeltes Deutschland in die Arme des Bolschewismus getrieben
würde:
„Der bolschewistische Imperialismus, meine Herren, bedroht die Welt. Deutschland muss
durch gemäßigte Bedingungen gewonnen werden, denn von dort werden einmal die Kräfte
kommen müssen, die auch für uns die Entscheidung zu schlagen haben.“3) S. 74–75
Zwar wurde dem neuen tschechoslowakischen Staat, deren Verhandlungsführer ausschließlich
Tschechen waren, mit Abschluss der Versailler Verhandlungen am 10.9.1919 ein
Minderheitenschutz-Vertrag aufgenötigt, der sogar vom Prager Parlament am 3.11.1919
ratifiziert wurde, doch haben sich die Tschechen gegenüber keiner ihrer Minderheiten je daran
gehalten, wohl wissend, dass der Völkerbund dies schweigend ignorieren würde.
Das nicht legitimierte tschechische Gremium erließ sogleich vom 14.11.1918 an mit
Anerkennung der neuen Republik, der Verfassung und Nationalversammlung – also noch vor
Abschluss der Versailler Verhandlungen! – bis zur ersten Parlamentswahl im Frühjahr 1920
410 Gesetze, darunter die Staatsverfassung, und weitere 770 Verordnungen mit Gesetzeskraft,
die auch über das Jahr 1920 hinaus Geltung hatten.
So blieb das in Versailles 1919 feierlich proklamierte „Selbstbestimmungsrecht der Völker“
als Grundsatz für die innenpolitische Gestaltung eines Staates wie auch für das internationale
Zusammenleben der Völker von Anfang an eine Farce.
Der tschechische Staatspräsident Thomas Masaryk, von den Völkerbundsmächten, die ihre
Aufgabe darin sahen, die Versailler Friedensbedingungen „völkerrechtlich“ abzusichern,
unterstützt, verkündete bereits am 22.12.1918 anlässlich seiner ersten Botschaft an die
Tschechoslowakische Nation in Prag (tags zuvor war er erst dort eingetroffen):
„Das von den Deutschen bewohnte Gebiet ist und bleibt unser Gebiet!“4) S. 99
Die Deutschen wertete er als Emigranten und Kolonisten ab, wohl um davon abzulenken, dass
er selbst Emigrant und nur durch Nachkommen von Kolonisten zur Macht gehievt worden
war.
Am 1. Januar 1919 erklärte er in seiner Neujahrsbotschaft:
„Über Autonomie wird nicht verhandelt!“
Der Präsident der tschechischen Völkerbunds-Liga am selben Tag im Prager Parlament:
„Es wäre Wahnsinn, das Streben an den Tag zu legen, die Deutschen für die Republik zu
gewinnen. Diese Politik ist absurd. Wer da glaubt, den Deutschen ihren jetzigen Besitzstand
im Staat zu belassen, handelt entweder aus Angst vor den Deutschen oder in der Hoffnung auf
die Deutschen. Auch eine solche Angst und eine solche Hoffnung ist nationaler Verrat.“ 3) S.70
–
Wenige Tage später, am 10.1.1919 zum französischen Massenblatt Matin:
„Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass eine sehr rasche Entgermanisierung dieser Gebiete
vor sich gehen wird.“
Nicht einmal Selbstverwaltung gestand dieser Staat seinen zu „Minderheiten“ deklassierten
Nationalitäten zu.
Der spätere tschechische Finanzminister Raschin reduzierte die nachfolgend abgeschlossenen
Minderheitenschutzverträge in einer Parteiversammlung in Nimburg/Böhmen auf die Formel:
„Wir haben nach dem Friedensvertrag das Recht, unsere Sachen so einzurichten, als ob andere
Nationalitäten überhaupt nicht existierten. Wir müssen mit niemandem verhandeln oder uns
ausgleichen.“3) S. 71
Den kooperationsbeflissenen Führer der deutsch-böhmischen Sozialdemokraten, Josef
Seliger, fertigte er mit den Worten ab: „Mit Rebellen verhandeln wir nicht.“5) S. 77
Fußnoten:
1) Anmerkung: Die Prüfung obiger Vorschläge ergibt ein beträchtliches Maß von Ähnlichkeit mit der im Herbst l938
erzielten Grenzregelung.
2) Robert Lansing, The Peace Negotiations, New York 1920, S. 244 ff; Ferdinand Durcansky, Die slowakische Frage eine
internationale Frage, München 1954, S. 12.
3) Reinhard Pozorny, Wir suchten die Freiheit, Vlotho 1978.
4) Hans Krebs, Kampf in Böhmen, Berlin 1938.
5) E. J. Reichenberger, Wider Willkür und Machtrausch, Graz – Göttingen 1955.