Sumpfblüten des Internets

Montag,13.Juni2011 von

Manchmal kommt es einem vor, als säße man im falschen Film; so zum Beispiel, wenn man im Internet die Seite „Erbloggtes“ öffnet und sich über den Sudetendeutschen Tag informieren will. Zunächst steht da ein Lob auf den Stand der deutsch-tschechischen Antifaschisten in Halle 5. Er hebe sich wohltuend von der Konkurrenz teils „amüsanter bis gefährlicher“ Gruppierungen ab. Zu diesen zählt der Autor den „Witikobund“ und den „sudetendeutschen Bauernverein“. Sie werden in einem Atemzug genannt mit „Organisationen, die den verrückten Bayernkönig Ludwig II. für einen erlogenen Mythos“ halten oder die behaupten, gläubige Christen lebten um sieben bis vierzehn Jahre länger als Ungläubige. Diesen Ausführungen ist ein Foto des Witikostandes (ebenfalls Halle 5) vorangestellt mit der Unterschrift: Der Witikobund soll für die völkisch-nationale Radikalisierung vieler Vertriebenenverbände verantwortlich sein. In jedem Fall ist er ihr rechter Flügel.
Absicht scheint zu sein, den Witikobund lächerlich zu machen, aber auch zu dämonisieren.
„Heimsuchung“ Augsburgs durch den Witikobund?
Richtig bissig geht dann ein gewisses „forumaugsburg“ zu Werke. Diese Gruppe ist Rosa Luxemburg und Kurt Eisner verpflichtet und fordert u.a. die Schließung von Rüstungsbetrieben auf Augsburger Stadtgebiet. Über die Sudetendeutschen verbreitet sie völlig veraltete Informationen. Reinfried Vogler wird immer noch vorgehalten, in grauer Vorzeit Vorsitzender des Witikobundes gewesen zu sein, obwohl sein Name inzwischen nicht einmal mehr in dessen Mitgliederliste steht! Gerügt wird, daß einige Gründungsmitglieder des Witikobundes NSDAP-Mitglieder waren, so als wäre das etwas Vertriebenenspezifisches. Man durchmustere nur einmal die Abgeordnetenliste des ersten hessischen Landtags! In ihr findet man nicht weniger als 75 einst stolze Besitzer des braunen Parteibuches! Sie hatten aber wie alle anderen früheren NSDAP-Mitglieder ein Spruchkammerverfahren durchlaufen und galten als entlastet. Bei früheren SED-Leuten wird heute so ähnlich verfahren. Wir sollten Konrad Adenauers Rat befolgen und die „Nazi-Riecherei“ einstellen!
Doch zurück zu den Witikonen: Bei ihnen werden wohlweislich Gründungsmitglieder wie Dr. Walter Brand, der sechs Jahre im KZ saß, ausgespart. Walter Becher nennt ihn sogar „einen Paten dieses Anfangs“. Man ging mit ihm 1947/1950 bewußt zu den Wurzeln, also zur bündischen Jugend und zu dem von den Nationalsozialisten erbittert bekämpften Kameradschaftsbund (KB), zurück. Die engsten Mitarbeiter Henleins waren KB-Leute und wurden von Berlin in stillschweigender Komplizenschaft mit Benesch schon vor 1938 ausgeschaltet. Wer übrig geblieben war, wanderte spätestens nach der Protektoratserrichtung ins Gefängnis oder ging per Einberufungsbefehl an die Front, wie Dr. Köllner und Dr. Sebekowsky.

All das hätte „forumaugsburg“ am 62. Sudetendeutschen Tag beim Vortrag des Witikobundes über
„Das Scheitern des sudetendeutschen Autonomiewunsches“ erfahren können. Es ist aber bequemer,
sich künstlich über eine „erneute Heimsuchung“ Augsburgs durch den Witikobund zu empören, als dessen Bücher und Aufsätze zu lesen.
Die Internetseite „Erbloggtes“ ist selbstverständlich verlinkt mit Wikipedia. Aber auch dort ist man vor der „Zensur der Nachgeborenen“ nicht sicher. Nach dieser Quelle gehört zu den Lieblingstätigkeiten eines Witikonen die Unterwanderung anderer Organisationen. Der Enthüllungs-Furor erreicht seinen Höhepunkt mit einem „Zeit“-Artikel vom 24.2.1967 (!), in dem die Symbolfigur des Witikobundes als angeblicher Ostlandreiter diffamiert wird („der nach Osten reitet“). So schön kann Polemik sein, wenn Vorurteile erfolgreich gegen jede Sachkenntnis abgeschirmt werden.
Eine Vision
Im vorigen Jahrhundert behauptete der Privatgelehrte Wilhelm Kammeier aus Arnstadt, daß die deutsche Geschichte in den Klöstern des 14. Jahrhunderts nach Maßgabe Roms umgeschrieben worden sei. Natürlich zu Lasten Deutschlands. Kammeier blieb mit seinen Vermutungen Außenseiter. Man kann sich aber vorstellen, daß in künftigen Jahrhunderten ein anderer Kammeier aufstehen wird, um die Geschichtsmanipulationen des 20. Jahrhunderts anzuprangern. Er wird dann nicht mehr Außenseiter sein, sondern zeigen, daß es ganze Heere von Politologen und Soziologen waren, die ihre Bleistifte spitzten, um die Geschichte des 20. Jahrhunderts umzudeuten. Der Witikobund wird dann zu höchstem Ansehen emporsteigen, denn Kammeier II hat noch einige vergilbte Witikobriefe aufgestöbert, die dessen Wahrheitsliebe und Rechtstreue beweisen. Vorbei ist es dann mit den Unterstellungen einer „völkisch-nationalen Radikalisierung“ und mit den Verdächtigungen, quasi unmoralische Ziele zu verfolgen. Es wird im Gegenteil deutlich werden, daß die Gegner des Witikobundes krassesten Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisteten! (F.Volk)

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