Skoda: Aufstieg und Ende einer Industriellen-Familie

Donnerstag,29.November2012 von

Die Firma Skoda ist weltweit bekannt. Dementsprechend ist auch die Firmengeschichte sehr gut erforscht. Im Gegensatz dazu hielt sich aber das Interesse an der Familiengeschichte der Skodas in Grenzen. Einen wichtigen Beitrag dazu liefert 1993 jedoch die Forschungsgruppe der AEFF (Arbeitsgemeinschaft Egerländer Familienforscher), die zunächst die vorhandene Literatur und vor allem zwei Manuskripte von Mitgliedern der Skoda-Familie auswertete. Das ältere war ein neunzehn Seiten umfassender handschriftlicher Bericht des Landesmedizinalrates Dr. Franz Skoda, des Vaters des Firmengründers. Auf ihm fußte sein Urenkel, Emil von Skoda jr. mit einem maschinenschriftlichen Manuskript von 24 Seiten aus dem Jahre 1920. Franz Skoda fasste seinen Bericht auf deutsch ab, Emil jr. auf tschechisch.

Wie in vielen Familien gibt es auch bei den Skodas eine Familienlegende. Sie berichtet von ihrem Stammvater, der Hirte im Dorfe Dolany, 2 ½ Wegstunden nordöstlich von Pilsen am Ufer der Beraun, gewesen und bei der Verteidigung seiner Herde von einem Bären getötet worden sei. Die dankbare Dorfgemeinschaft beschenkte die Witwe mit einer Feldwirtschaft, und seine Söhne wurden „Skoda“ genannt, zum Zeichen, daß es um diesen Mann „schade“ ist (skoda, tsch.=schade). Der Hof führe heute noch den Namen „u Skodu“. Diese Geschichte trägt reichlich märchenhafte Züge und dürfte, wie die meisten Familienlegenden, ein Phantasieprodukt sein. Dokumentarisch nachweisbar ist die Familie erstmals 1588 und zwar in zwei Linien, von denen der sog. Letkover Zweig zum Firmengründer führt. Letkov ist ein Dorf nahe Dolany und war der Wohnsitz von Tomas Skoda, der dort die Chalupe 13 bewohnte. Mit seiner Gattin Margareta Marshal hatte er 12 Kinder, darunter Jan Vojtech (1769-1852), den Vater von Franz und den Großvater des Firmengründers Emil. Mit 14 Jahren sollte Jan Vojtech in Chrast Eisengießer oder Hammerschmied werden. Da ihm dafür aber die körperlichen Voraussetzungen fehlten, begann er bei Meister Thalmann die Schlosserlehre. Als Geselle hielt er sich überwiegend in Österreich, und da vor allem in der Steiermark, auf (Eisenerz bei Leoben?), wo er die deutsche Sprache erlernte. Mit fast 30 Jahren kehrte er zurück und ehelichte in Pilsen Anna Smickova (Schmitz?), die Tochter des Pilsner Wassermeisters. Mit ihr hatte er drei Söhne.

Seine Werkstatt hatte Jan Vojtech an der Pilsener Stadtmauer neben dem Sachsentor. Als neben ihm eine Werkstatt frei wurde, konnte er sie mieten und zu einem Wohnstübchen umbauen. Aber auch in der neuen Bleibe hatten die Söhne ihre Schlafstelle nur auf dem an zwei Seiten offenen Dachboden. Bei Frost stieg die Mutter öfter die Leiter hoch, um zu sehen, ob keines der Kinder erfroren sei. Franz Skoda, ihr ältester Sohn (geboren 1801), schreibt, daß er erst wieder als Student in Wien in einem Zimmer geschlafen habe.

Franz Skoda hat „die Buchstaben“ vom Vater gelernt. Mit sieben Jahren kam er in die Normalschule, wo er zunächst gewisse Sprachschwierigkeiten hatte, denn obwohl sein Vater die deutsche Sprache konnte, war die Umgangssprache zu Hause Tschechisch. Daraus geht auch hervor, daß die Germanisierung der Familie erst mit Franz begann. Die zweite Grammatikalklasse mußte Franz wiederholen und hatte das Glück, in der Wiederholungsklasse mit dem Professor Köhler, einem Stift Tepler Praemonstratenser, einen vorzüglichen Lehrer zu bekommen. Von da an gehörte er immer zu den besten Schülern, auch an der Wiener Universität. Seine Schulschwierigkeiten vorher erklärte Franz Skoda mit schlechtem Umgang und Beanspruchung im Haushalt. Franz erhielt von den Eltern nicht die geringste Unterstützung und verdiente sich ein Taschengeld mit Nachhilfeunterricht. Mit 16 Jahren hatte er täglich 4–6 Schüler. Seine eigenen Hausaufgaben erledigte er in den Randstunden, im Winter vor dem Einheizloch des Kachelofens, denn Licht war im Hause des Nagelschmiedes Skoda ein Luxus. Franz Skoda beurteilt daher seine Jugend als keineswegs „glücklich“ oder auch nur „zufriedenstellend“. „Mir war keine Gelegenheit zu gründlichem Unterricht gebothen, als cechischem Knaben war mir jede Gelegenheit abgeschnitten, mit Kindern aus besseren und gebildeteren Häusern umzugehen.“

Im Jahre 1821 legte Franz Skoda am Gymnasium „seine Absolution“ (Matura) mit Auszeichnung ab. Am 9. September brach er zum Medizinstudium in Wien auf. Die Reise ging bis Linz zu Fuß, dann auf einem Floß bis Wien. Um die Beförderungskosten zu sparen, verdingte er sich  als Ruderer.

In Wien war seine wirtschaftliche Lage prekär, bis er von der Fabrikantenfamilie Bischof als Hauslehrer aufgenommen wurde. Nach der Promotion 1826 bildete er sich noch zwei Jahre fort und kehrte 1828 nach Pilsen zurück. Mit seiner Praxis in der Dominikanergasse war er der siebte Arzt in Pilsen. 1829 ehelichte er die wohlhabende Anna Piwetz, die aber 1836 starb. 1839 heiratete er erneut, und zwar Johanna Margarete Rziha (sh. Bild links!), deren Vater der reichste Bürger Pilsens und der Sprecher der Deutschen war. Ihre Mitgift betrug 100.000 Gulden. Das erste Kind dieser Ehe war Emil, der spätere Industrielle. Margareta Rziha starb 1854 bei der Geburt ihres achten Kindes. Franz Skoda bekennt, daß er „um jeden Preis“ Kreisarzt werden wollte und deshalb zu Sonderleistungen bereit war. So meldete er sich 1830 als junger Ehemann nach Galizien zur Bekämpfung einer Choleraepidemie, der er fast selbst zum Opfer gefallen wäre. 1833 stellte er sich in Pilsen im neuerbauten Städtischen Krankenhaus ehrenamtlich als Primarius zur Verfügung. Später erhielt er dafür 200 Gulden im Jahr.

1848 wurde Franz Skoda als Vertreter Pilsens in den Reichstag nach Kremsier entsandt, wo er sich „sehr für die Aufhebung des Adels“ ausgesprochen hat. Das brachte ihm die Beobachtung durch die Geheimpolizei ein. Da er davon nichts wusste, wunderte er sich bald über den Stillstand seiner Karriere und warf seinem Vorgesetzten, dem Protomedicus von Böhmen, Mißgunst vor. Resigniert führte er das Ausbleiben einer Beförderung auf sein „fehlendes Talent zum Denunzieren“ zurück.

Schließlich wurde Franz Skoda aber doch zum Kreisarzt von Pilsen und Klattau ernannt. Auf die Stelle des Kreisarztes von Eger wurde er im Jahre 1856 berufen. 1865 stieg er zum Landesarzt in Prag auf, was in etwa einem heutigen Gesundheitsminister entsprach. Wegen seiner Verdienste bei der Versorgung der Verwundeten im Krieg gegen die Preußen 1866 wurde er mit dem Orden der Eisernen Krone 3.Klasse und dem erblichen Titel eines Ritters ausgezeichnet.

Am 1.Jänner 1872 ging Franz Skoda in den Ruhestand und übersiedelte nach Wien. Dort musste er sich bald der Pflege seines Bruders Joseph widmen, der 1881 starb. Er selbst verschied 1888.

Emil Ritter von Skoda

Emil Ritter von Skoda, der Industrielle, wurde am 18.11.1839 in Pilsen geboren. Weil sein Vater von 1856 bis 1865 Kreisarzt in Eger war, behaupten viele Egerländer, sein Geburtsort sei Eger gewesen. Der Geburtseintrag in Pilsen widerlegt diese Behauptung aber eindeutig. Die Matura legte Emil  vermutlich in Prag ab und studierte anschließend an der Deutschen Technischen Hochschule in Prag und an der Technischen Hochschule in Karlsruhe.
Seine ersten Berufserfahrungen sammelte er in deutschen Werken. Bei Ausbruch des Krieges gegen Preußen war er Oberingenieur in Bremerhaven und musste als „feindlicher Ausländer“ in seine Heimat zurückkehren. Dort übernahm er die Leitung der Waldsteinschen Reparaturwerkstatt, die er am 12.6.1869 vor allem vom reichen Erbe seiner Mutter käuflich erwarb. Später unterstützte ihn auch  sein Onkel Joseph, der als Medizinprofessor in Wien zu Weltruhm gekommen war, nachdem er die Percussionsmethode zur Diagnose von Brustkrankheiten perfektioniert hatte. Kapital floß ihm auch durch die Eheschließung mit Hermine Hahnenkamm, einer wohlhabenden Pilsner Bürgerstochter, zu. Deren Vorfahren waren als Inhaber einer europaweit tätigen Spedition mit 200 Pferden zu Reichtum gekommen. Ihr Stammhaus war das frühere Hotel „Weiße Rose“ rechts neben dem Rathaus Der Ehe entsprossen vier Kinder: Josefine (1872-1936), Johanna (1874), Hermine (1876) und Carl (1878-1929).

Die Firma Skoda war zunächst erfolgreich mit der Herstellung ziviler Anlagen. Die Belegschaft des Werkes stieg bis zur Jahrhundertwende von 33 auf 40211. Widerwillig fügte sich ihr Inhaber dem Druck aus Wien, die Waffenproduktion aufzunehmen. Die dafür angeschafften Maschinen blieben, wie Skoda befürchtet hatte, unrentabel. Emil von Skoda war dadurch gezwungen, die Firma 1899 in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Nach seinem Tode ein Jahr später verfügte sein Sohn Carl über die Aktienmehrheit. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zur Tschechisierung der Firma. Die Regierung untersagte Carl von Skoda jede wirtschaftliche Tätigkeit in der CSR, so daß diesem nichts anderes übrig blieb, als das Aktienpaket (unter Wert) an tschechische Banken zu verkaufen. Seinen Wohnsitz nahm Carl in Zürich. In Pilsen blieben seine Schwester Johanna und sein Sohn Emil jr.. Johanna bewohnte das Skoda-Palais in der Klattauer Straße und Emil besaß das Schloß Zinkau, etwa sechs Kilometer westlich von Nepomuk in Westböhmen.

Die nationale Zugehörigkeit der Familie Skoda

Die Germanisierung der Familie Skoda, begann mit Franz Skoda, dem Vater des Industriellen.Er machte eine Beamtenkarriere im Kaiserstaat und ehelichte in zweiter Ehe die Deutsche Margareta Rziha. Von seinem Sohn Emil berichtet die 1990 erschienene tschechische Firmengeschichte etwas nebulös, daß er „häufig Gast in deutscher Gesellschaft“ und mit „seinem Familienkreis“ der „deutschen Umwelt verbunden“ gewesen sei. Da Emil Ritter von Skoda aber die tschechische Sprache nur unvollkommen beherrschte, war er selbstverständlich nicht nur Gast, sondern Teil, wenn nicht gar Mittelpunkt der deutschen Gesellschaft Pilsens. Der Pilsner Tagespresse kann man auch entnehmen, daß er Mitglied im Pilsner Gesellschaftsverein „Schlaraffia“ war und seine Kinder am Vereinsleben deutscher Vereine teilnahmen. Bei seinem Tod 1900, ergriff Trauer „vor allem den deutschen Teil der Stadt.“ Die tschechischen Zeitungen „Nase snaha“ und „Nova doba“ behandelten ihn sogar als Unperson, denn sie erwähnten sein Begräbnis mit keinem Wort! Als die Presse 1939 beim 100. Geburtstag Emil von Skodas auf den tschechischen Ursprung der Familie hinwies, widersprach Emils Tochter Johanna (Jenny) in einem Leserbrief heftig und betonte den deutschen Charakter der „gesamten Familie“. Diese Einstellung hatte, wie im Folgenden gezeigt wird, für einige ihrer Angehörigen freilich schwerwiegendste Folgen.

                                           Die Auflösung der Familie

Der Industrielle hatte vier Kinder, von denen aber nur Johanna und Carl (je drei) Kinder hatten. Johanna (verehelichte Wessely) wurde nach dem Kriege enteignet und durfte in ihrem eigenen Schloß zu Pollerskirchen (Usobi, an der böhmisch-mährischen Grenze) nur einen kleinen Raum benutzen. Immerhin befand sich am Ort auch ihre Tochter Hermanna, die mit dem Uhrmacher Fait verheiratet war. Hermanna hatte noch zwei Brüder mit Namen Emil und Richard. Emil starb 1947 in Graz und Richard versuchte nach der Vertreibung in Kordingen bei Wallsrode, eine Kunstblumenfabrik ins Leben zu rufen.

Die Kinder Carls (1878-1929) waren Karl, Emil und Hedda. Hedda war promovierte Juristin und lebte in der Schweiz. 1985 starb sie unverehelicht und kinderlos in Südfrankreich. Ein tragisches Schicksal ereilte ihre beiden Brüder. Karl hatte in Oxford studiert und kam, wie sein Cousin Richard im Heimatbrief Mies-Pilsen (Mai 1951) mitteilte, in einem Prager Gefängnis ums Leben. Emil, sein jüngerer Bruder, war während des Krieges bei der deutschen Wehrmacht und diente in der Panzerkaserne Prag als Dolmetscher. Nach dem Kriege lebte er, zunächst unbehelligt, auf seinem westböhmischen Schloß Zinkau. Als aber die Amerikaner Westböhmen verließen, wurde er sofort verhaftet und nach einem Zwischenspiel in Tabor ins Kreisgefängnis von Pilsen gebracht. Dort erlag er brutalen Mißhandlungen. Für jede der genannten Stationen gab es nach der Vertreibung sudetendeutsche Mithäftlinge als Augenzeugen, für sein Ende sogar ein schriftliches Dossier.

Damit ist die Familie des Großindustriellen im Mannesstamm erloschen.

Quelle: Jahrbuch Mies-Pilsen 1993, S. 84-94, dort auch eine genaue Literaturübersicht!