Prof. iur. et phil. Dr. de Zayas wandte sich an unseren Vorsitzenden

Mittwoch,25.März2015 von

Prof. iur. et phil. Dr. Alfred-Maurice de Zayas wandte sich an unseren Vorsitzenden Felix Vogt Gruber mit Stellungnahme zu dem von der SL-Spitze verkündeten Verzicht der Sudetendeutschen (unabhängig davon, dass der zugrunde liegende Beschluss der Bundesversammlung, wie bereits von uns ausgeführt, nichtig ist und es de facto keine Satzungs- oder Zweckänderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft rechtswirksam gibt).

Prof. iur. et phil. Dr. Alfred-Maurice de Zayas ist Völkerrechtler, Historiker, Diplomat, Philosoph und Jurist.
Er ist Hochlehrer beim Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales in Genf, Mitglied der Académie internationale du droit constitutionnel, General-Sekretär vom PEN Club Suisse romande. Er war 22 Jahren Höher UN-Kommissar für Menschenrechte a.D. und ehem. Sekretär des UN-Menschenrechtsausschusses.

Er schrieb:

Sehr geehrter Herr Vogt Gruber,

Ich habe den Vorschlag zur Satzungsänderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft gelesen und halte ihn für historisch und völkerrechtlich problematisch. Ich rate daher davon ab.
Bei uns in den Vereinten Nationen sind die Rechte auf Wahrheit, auf Geschichte und Identität zunehmend anerkannt und in etlichen Berichten bekräftigt.
Die vorgeschlagene Satzungsänderung scheint auf historische Thesen zu verzichten, die für ein gesundes Geschichtsbewusstsein notwendig sind.
Völkerrechtlich gesehen ist ein Verzicht auf Restitution nicht nur bedauerlich für die Opfer, er erweist dem Völkerrecht einen Bärendienst, denn er diskriminiert zwischen Opfern von Verbrechen gegen die Menschheit und Völkermord. Und wenn es Wiedergutmachung für Polen, Russen, Tschechen gibt, darf man gegen deutsche Opfer nicht diskriminieren. Der Anspruch verjährt nicht.

Die gesamte Jurisprudenz der Human Rights Chamber for Bosnia und Herzegovina sowie des International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia unterstützen den Anspruch jedes Opfers auf Wiedergutmachung. Auch die Armenier bekommen heute nach und nach ihr Recht — vor allem kirchliches Kulturguts. Ich habe dazu ein Gutachten gestellt, das als Buch erschienen ist: The Genocide Against the Armenians 1915-1923 and the Relevance of the 1948 Genocide Convention (Haigazian University Press, Beirut). 2012-14 war ich Mitglied einer Arbeitsgruppe zur Restituionsrecht, einer von 3 Autoren über die Rechte der Armenier auf Restitution. Dabei geht es um fundamentale Menschenrechte. Die Präzedenzfälle sind für die Sudetendeutsche auch gültig.

Anstatt zu verzichten, sollten die Landsmannschaften und Regierungen in Berlin und Wien darauf bestehen, dass die Entscheidungen des UN-Menschenrechtsausschusses zur Restitution in den Fällen Des Fours Walderode v. Tschechische Republik, und Petzoldova gegen Tschechische Republik in die Tat umgesetzt werden.
Erlauben Sie mir auf meine 50 Thesen zur Vertreibung — vor allem 27 et seq. hinzuweisen (Verlag Inspiration Un Limited, London/Berlin) Das Gutachten von Professor Felix Ermacora hat wohl festgestellt, dass Teile der Vertreibung der Sudetendeutschen als Völkermord und daher als unverjährbar einzustufen sind. Besonders einschlaegig sind meine Thesen 31 und 32

31. Alle Vertreibungsopfer haben ein Recht auf Wiedergutmachung. Weder
ein Staat noch eine staatliche oder nichtstaatliche Organisation können
darauf stellvertretend für die Opfer verzichten, denn es geht um individuelle
Rechte der Opfer eines unverjährbaren Verbrechens. Bei der Verfolgung seines
Rechts kann das Opfer zwar keine Beschwerde beim Internationalen Gerichtshof
in den Haag einreichen (nur Staaten sind dazu berechtigt), aber es kann sich
an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder an den
UN-Menschenrechtsausschuss wenden, nachdem der innerstaatliche Rechtsweg
ausgeschöpft wurde.

Opfer sollten generell auf ihren Rechten bestehen — nicht
um materieller Vorteile willen, sondern um die allgemeine Geltung des
Völkerrechts zu sichern. Denn das Recht und die Rechtssicherheit würden Schaden
nehmen, wenn Vertreibungen nicht wiedergutgemacht würden. Sie
würden dann künftig als politisch aussichtsreiche Option angesehen — was bereits
eine Folge des Lausanner Abkommen von 1923 war — und würden womöglich
nicht einmal mehr als besonders verwerflich gelten.

32. Die schwere und anhaltende Verharmlosung der Vertreibung der
Deutschen stellt eine Menschenrechtsverletzung dar, denn sie bedeutet
eine unzulässige Diskriminierung der Opfer. In diesem Zusammenhang muss an
Artikel 26 des UNO-Paktes über bürgerliche und politische Rechte erinnert werden,
der die rechtliche Gleichheit aller Menschen garantiert und jede Willkür und
Diskriminierung verbietet. Die Missachtung des Status der Vertriebenen als Opfer
kann zudem als eine Verletzung des Artikels 16 dieses Paktes verstanden werden,
der das Recht auf Anerkennung als Rechtsperson garantiert. Eine massive
Verharmlosung der Vertreibung oder die Leugnung der Vertreibungsverbrechen
kann darüber hinaus eine Verletzung von Artikel 20 dieses UNO-Paktes darstellen,
wenn eine Aufstachelung zu Hass, Erniedrigung und Diskriminierung beabsichtigt
wird. Zumindest aber stellt eine solche Verharmlosung eine Verletzung von Artikel
17 dieses Paktes dar, der Beeinträchtigungen der Ehre und des Rufes von
Menschen verbietet. Die deutschen Vertriebenen und ihre Nachkommen dürfen
keine Opfer zweiter Klasse sein. Die anhaltende Diskriminierung der Vertriebenen
in den Medien, in Schulbüchern und im politischen Dialog bedeutet eine
Verletzung menschenrechtlicher Normen.
Ich verbleibe mit besten Wünschen

und freundlichen Grüßen
Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas

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