Eine Politglosse ohnegleichen aus München in Straßburg
Haben wir jetzt einen neuen „Kaiser mit neuen Kleidern“ – eine Politglosse ohnesgleichen aus München in Straßburg
In Andersens Märchen war es ein Kind das rief: „Aber der Kaiser ist doch nackt!“. Damit flog letztendlich der ganze Schwindel auf. In der Realität sieht es oft etwas anders aus. Da gibt es einen abgewählten EU-Parlamentarier, der an allen Sitzungstagen mit seiner Sekretärin Frau Waldburg, die er selbst bedeutungsvoll „Politische Referentin“ nennt und nach eigenen Aussagen auch privat bezahlt, in Straßburgs Politikzentrale ein- und ausgeht. Ja, gerade so, als wäre da bei der 8. Europawahl 2014 nichts gewesen und hätten die Votierenden nicht anders entschieden! Man könnte hier bei Bernd Posselt auch von einem neuen Hauptmann von Köpenick sprechen.
So wie der Kaiser letztendlich seinen „Gewändern“ vertraute, spielt er den unersetzbaren Europapolitiker weiter, egal wie sein Wahlvolk auch entschieden haben mag. Das ist ja letztendlich dann für ihn nur Stimmvieh und das Votum derer scheint für den Sprecher und Vorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft keine Rolle zu spielen. Was er sagt, das setzt er sprichwörtlich sogar über Leichen durch. Da kennt er schließlich auch keine politischen Freunde, wenn es diese überhaupt in der Politik gibt.
Zunehmend pikant an der Angelegenheit ist dabei nur, dass die Medien Posselts Verhalten mittlerweile weidlich ausschlachten. Von „Welt“ bis „Zeit“ oder „Das Erste oder „Monitor“ wurde darüber berichtet. Und auch vor Peinlichkeiten schreckten die Journalisten nicht zurück. In der Bundesgeschäftsstelle scheint man darauf allerdings recht stolz zu sein, denn man vergisst nicht, auf den Seiten der Landsmannschaft immer eiligst alle Landsleute per Link auf derartige Veröffentlichungen hinzuweisen. Das kann aber eigentlich den Vertriebenen nicht egal sein, die Bernd Posselt zu vertreten hat.
Wer will schon wissen, was der glühende Europapolitiker in der Badewanne singt und welchen politischen Mehrwert hat eine solch banale Information überhaut? Schließlich handelt es sich dabei ja – gelinde gesagt – nicht gerade um einen stark Erotik ausstrahlenden Politiksüchtigen und alleinstehenden Mann mittleren Alters!
Charisma hat er trotz alledem oder gerade deswegen, und er kann stundenlang überzeugend ohne jegliches Manuskript reden. Horst Seehofer hat ihn deshalb einmal als „einzig ihm bekanntes lebendes Lexikon“ bezeichnet. Dass bei Posselt dabei allzuoft Realität und Legende nicht auseinanderzuhalten sind, das scheint so eine Eigenheit von Politikern zu sein und ist nicht nur ein Phänomen des abgewählten EU-Parlamentariers.
In der Landsmannschaft hat der Chef der Sudetendeutschen jetzt gerade einen schweren Stand: Die Durchsetzung der Satzungsänderung liegt vielen Vertriebenen – insbesondere der Erlebnisgeneration – schwer und unverdaulich im Magen. Sicherlich muss man darüber reden, ob die Formulierung in der Satzung „Wiedergewinnung der Heimat“ heute wirklich noch in dieser Wortwahl zeitgemäß ist. Doch die Eigentumsansprüche des einzelnen Vertriebenen global aufzugeben, das geht nicht und wäre auch gemessen an der durchaus richtigen Entscheidung gegenüber anderen Opfergruppen eine Ungleichbehandlung, die die Sudetendeutschen mit Recht so in großer Mehrheit nicht einfach hinnehmen werden. Auch führende Völkerrechtler, wie der leider viel zu früh verstorbene Sudetendeutsche Professor Dieter Blumenwitz, der seinerzeit im Auftrag der Sudetendeutschen sogar ein Vertriebenengutachten dazu erstellt hat, von dem heute die Führung der Landsmannschaft scheinbar nichts mehr wissen will oder auch der renommierte Schweizer Professor Alfred de Zayas haben davor entschieden vor diesen Schritten gewarnt. Aber Bernd Posselt hat sich geschickt – die europäische Menchenrechtskarte spielend – am Ende in der letzten Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft durchgesetzt und damit den Tschechen und der deutschen Politik ein fragwürdiges Geschenk gratis geliefert. Gegenleistung – etwa die Aufhebung der Benes-Dekrete – kein Thema für die tschechischen Politiker. Und die deutsche politische Klasse jubelt und bezeichnet das als Realitätssinn der Sudetendeutschen und Zeichen ihres Verständigungswillens, schweigt aber zur unverändert harten Haltung der Tschechen hinsichtlich der Unrechtsdekrete beflissentlich.
Lediglich die AfD in Sachsen hat unlängst politisch klar Flagge gezeigt und anlässlich des 70. Jahrestages der Verkündung der Dekrete an die längst fällige Aufhebung dieser unsäglichen und gegen elementare Menchenrechte verstoßenden Benes-Dekrete in einer Pressemitteilung erinnert und angemahnt: Da gilt es im 21. Jahrhundert noch etwas aufzuarbeiten!
Die Landsmannschaft selbst wird gegenwärtig allerdings durch einen möglicherweise über Jahre andauernden Rechtsstreit vor deutschen Gerichten, durch Absetzbewegungen von Orts-, Kreis- bis hin zu ganzen Landesverbänden und Rücktrittsforderungen an den Bundesvorstand gelähmt.
Es bleibt spannend, wie die kommende Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft mit ihrem Sprecher und Bundesvorsitzenden weiter umgehen wird. Da wird es sich zeigen, ob Berd Posselts Zukunft bei den Vertriebenen aus Böhmen noch gesichert ist. Die Ausgangslage ist jedenfalls für den schwergewichtigen Dauerpolitiker Posselt ohne aktives Amt nicht rosig.
Im Märchen ist der Kaiser über jeden Verdacht erhaben. Wer daran zweifelte, der galt als Ewiggestriger und Rückwärtsgewandter. Der Hochgejubelte könnte jedoch ganz schnell hart auf den Boden der Realität fallen, so wie der Kaiser bei Martin Andersen, nachdem die Kinder den ganzen Schwindel aufgedeckt haben.
Claus Hörrmann