Der 4. März 1919

Montag,4.März2019 von

100 Jahre Märzgedenken!
Vor 100 Jahren, am 4. März 1919, starben 54 Sudetendeutsche im Kugelhagel tschechischen Militärs.
Sie waren Teilnehmer an einer friedlichen landesweiten Demonstration für das Selbstbestimmungsrecht.
So also funktionierte Demokratie, wenn man sich erkühnte, für eines der wichtigsten Menschenrechte
einzutreten! Eine schlechtere Reklame für diese neue Staatsform hätte es nicht geben können. Die
Sudetendeutschen werden daher nie verstehen, dass man die Vorkriegs-CSR als „Insel der
Demokratie“ bejubelt.
100 Jahre Rechtsverweigerung
100 Jahre vergebliches Hoffen und Wünschen sind ein trauriges Ergebnis! War der Kampf aber
sinnlos? Mitnichten, denn Einsatz für Recht und Wahrheit ist immer ehrenhaft und verdienstvoll. Das
ist auch die Botschaft, die uns aus den Gräbern der 54 Toten erreicht!
Ganz anders aber bei den Rechtsverweigerern und ihren Helfershelfern. Bei ihnen wurde die Kluft
zwischen Wort und Tat mit jedem der 100 Jahre größer und ihre Reden über Grundwerte und
politisches Ethos blieben hohle und ehrlose Phrasen.
Was waren die Fakten?
Die Friedenskonferenz begann am 18. Januar 1919 in Versailles (Tag der Reichsgründung!) und damit
auch das Tauziehen um die Friedensverträge. Den Völkern Österreichs hatte Präsident Wilson „die
freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung“ versprochen. Daher hatten die Sudetendeutschen
keine Bedenken, die Welt mit einer Demonstration auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Der 4. März
wurde ausgewählt, weil an diesem Tag in Wien der Reichsrat zusammentrat und die sudetendeutschen
Abgeordneten aber an der Reise dorthin gehindert wurden. Zur landesweiten Kundgebung hatte der
Sozialdemokrat Josef Seliger aufgerufen, und dieser Aufruf wurde in fast allen größeren Orten befolgt.
Man schätzt die Zahl der Teilnehmer auf mehr als eine Million. Geschossen
wurde in sieben Städten (Arnau, Aussig, Eger, Kaaden, Mies, Karlsbad,
Sternberg). Die Begräbnisse der Toten wurden zu eindrucksvollen
Trauerbekundungen der Bevölkerung.
Eine Entschädigung der Opfer lehnte der csl. Staat ab. Daher organisierten die
Sudetendeutschen selbst eine Spendenaktion, um die schlimmste Not bei den
Opferfamilien zu lindern. Die Koordination übernahm die damals noch
deutsche Stadtverwaltung von Teplitz.
Massive Unterdrückung der Wahrheit
Demütigend wie die Schüsse war das Schweigen der Presse. Auch die sudetendeutschen Zeitungen
hielten sich zurück, aber bei ihnen war das die Folge von Einschüchterung durch Zensur und
Beschlagnahmen seit Kriegsende. So beschränkten sie sich auf Kurzmeldungen, die sie auf der dritten
oder vierten Seite versteckten. Auch in den Folgejahren war es verboten, in irgendeiner Weise der 54
Opfer zu gedenken. Zuwiderhandlungen wurden von der csl. Justiz stengstens verfolgt, denn angeblich
hätte es sich bei der Demonstration um einen staatsgefährdenden kommunistischen Aufstand gehandelt.
Erst im März 1939, also nach dem „Anschluss“, war es möglich, Gedenkfeiern zu veranstalten.
Benesch hatte am 4.März 1919 sogar die Stirn, der (damals schon bestehenden) internationalen
Grenzkommission in St.Germain zu melden, dass 99 (!) Prozent der Sudetendeutschen für den
Verbleib beim neuen Staat einträten und nur einige Aufwiegler nach Selbstständigkeit riefen (Habel,
Dokumente zur Sudetenfrage, S. 263, Anm.).
Nach 1945 setzten sich die Unredlichkeiten fort. Besonders geschmacklos war der Vorwurf, man
würde „die 54 unschuldigen Opfer als nationale Märtyrer missbrauchen“ (Manfred Alexander, Kleine
Geschichte der böhmischen Länder, S.398). Würde jemand wagen, solches von Jan Palach in Prag zu
behaupten? An den Verfälschungen beteiligte sich auch der Adalbert-Stifter-Verein. Er druckte 1994
einen Vortrag des tschechischen „Historikers“ Milan Augustin ab, der sich nur auf die Protokolle
tschechischer Offiziere stützte und die davon abweichenden deutschen Zeugnisse verschwieg (Sudetenpost,
23.2.1995). Augustin eiferte darin aber nur Prof. Detlef Brandes, Düsseldorf, nach, der sich in
seinem Buch über den „sudetendeutschen Herbst“ 1938 ausschließlich auf die csl. Polizeiakten mit
dem entsprechenden deutschfeindlichen Ergebnis stützte. Ist das Unvermögen, Naivität oder Bosheit?
Hier folgen die Berichte von den Ereignissen am 4. März 1919 in Mies, Karlsbad und Kaaden:
Der 4. März 1919 in Mies (Westböhmen)
Dankenswerter Weise gibt es von den Ereignissen des 4. März 1919 genügend Augenzeugenberichte.
So schrieb Karl Hromada (†) über die Demonstration in der westböhmischen Kreisstadt Mies in „Land
an der Miesa“, 1984, S. 49 ff., folgendes:
Die Monate vor dem 4. März:
„Schon vorher hatte sich bei uns allerhand ereignet. Am 18. 11. 1918 wurde unsere Stadt nach 5 Uhr
morgens von tschechischen Soldaten besetzt. Sie kamen von Pilsen mit dem normalen Zug in fünf
Waggons. Als erstes überwältigten sie die Bahnhofswache unserer Volkswehr. Dann formierten sich
drei Gruppen. Die erste zog hinunter zum Brückenturm, dann über den Trauerberg zur Kaserne und
besetzte diese. Eine zweite zog durch das Kupkatörl (kleine Pforte) und den Parkeingang zur
Bezirkshauptmannschaft und überrumpelte dort ebenfalls unsere Volkswehr. Eine dritte Einheit, mit
schweren Infanteriewaffen, kam durch die Prager Gasse zum Ringplatz und nahm dort Aufstellung.
Dies alles vollzog sich im Schutze der Dunkelheit. Als es hell geworden war, begab ich mich zum
Unterricht ins Gymnasium. Am Weg sah ich die Soldaten vor dem „Schwan“ (Gasthaus) und ging
neugierig hin. Da kam ein Offizier auf mich zu, sah auf meinem Rockaufschlag mein schwarz-rotgelbes
Band, riss es herunter und trat mit den Füßen darauf herum. Meinem Banknachbarn Rubei
passierte dasselbe. Am nächsten Tag zog unser Professor Purkl nach dem Turnunterricht bei der
Oktava mit Fahnen gegen Techlowitz an der Kaserne vorbei. Sie wurden von den Tschechen gestellt
und abgeführt. Unser Direktor Knobloch mußte eilends hinaus, um sie zu befreien. Als überall Plakate
angeschlagen wurden, die verkündeten, daß die Stadt mit sofortiger Wirkung vom
tschechoslowakischen Staat in Besitz genommen worden sei, stieß dies auf einhellige Ablehnung der
Bevölkerung. Ein Fräulein Jahn riss verbittert ein Plakat ab. Dafür wurde sie von Soldaten fast
krankenhausreif geschlagen. Wir aber hatten schon von den vierzehn Punkten Wilsons gehört, die
allen Völkern Selbstbestimmung versprachen. Alle Völker Österreich-Ungarns hatten diese erhalten,
nur uns Sudetendeutschen wollte man sie verweigern. Darum kam es am 4. März 1919 im ganzen
Sudetenland, auch in Mies, zu den Demonstrationen.“
So verlief der 4. März 1919
„Wir Gymnasiasten wussten natürlich auch davon. Am Schulweg hörten wir schon, dass die
Tschechen die Zugänge zum Stadtinnern abgesperrt hatten. Aber unsere Leute kamen eben
über Feldwege herein. Gleich in der ersten Unterrichtsstunde ging der Schuldiener Debensky
durch alle Klassen. Es wurde verlesen, daß wir uns während der 10-Uhr-Pause nur vor dem
Schulgebäude aufhalten dürften. Als es läutete, stürmten wir wie noch nie hinunter. Vor dem
Hotel Wiesinger sahen wir eine große Menschenmenge. Neugierig gingen wir nach vorn,
immer weiter, immer weiter. Wir wussten doch,
dass dort auch unsere Brüder und Väter
standen. Und so waren wir, wie von einem
Magnet angezogen, auf einmal vorne inmitten der
Kundgebung. Als die Redner, die alle das
Selbstbestimmungsrecht forderten, geendet
hatten, formierte sich die Menge zum
Demonstrationszug. Vorher hatte schon eine
Abteilung tschechischer Soldaten vor dem
Rathaus Aufstellung genommen. Eine andere
Einheit stand in der Löwengasse. Unser Zug
umrundete das Rathausviertel. Es wurden auch
Lieder gesungen, zuletzt das Deutschlandlied. Da – wir waren gerade wieder vor dem Rathaus, schrie
der Gendarmerie-Wachtmeister Jatschek: „Pal!“ (Feuer) und schoss mit den Soldaten eine Salve gegen
uns ab. Jatschek sprang hinter das Tor und verschloss dieses. Er wurde nie wieder gesehen, da er
sofort in eine andere Stadt versetzt wurde. Von den Bäumen sahen wir Äste fallen, ein Zeichen, dass
viele in die Luft geschossen hatten. Aber von vorne rechts hörten wir ein Wimmern und dann nichts
mehr. Einige riefen: „Die Heller Rosl ist getroffen, Halsschuss, sie ist tot“! Aber auch hinten links
war Bewegung. Am Röhrkasten, bei der ersten Lampe, beugten sich Leute über einen Verletzten. Es
war der erst vor kurzem aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrte Johann Luft. Er hatte einen
Lungenschuss und wurde mit dem Auto nach Pilsen ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte waren
jedoch machtlos, und er starb am folgenden Tag. Männer stürzten sich auf die Soldaten und entrissen
ihnen im Nu die Gewehre. Parteisekretär Stark forderte sie aber auf, die
Gewehre wieder zurückzugeben, was auch geschah. Stark sagte, daß
unser Schicksal bei der Friedenskonferenz entschieden würde. Die
Soldaten marschierten ab und ließen sich bis nach der Beerdigung
der Opfer nicht sehen. Aber Mies trauerte, und wie. Sämtliche
Lampen waren mit schwarzem Flor verkleidet und wer schwarze
Fahnen hatte, hißte sie. Der Sarg mit Johann Luft war in der Kirche
aufgebahrt. Die ganze Stadt beteiligte sich an beiden Begräbnissen.
Die Schüler hatten schulfrei. Rosel Heller war eine Jüdin und erhielt
ein jüdisches Begräbnis. Neben den beiden Toten gab es noch drei Verwundete.
Wir stellten uns die Frage: „Warum wurde am 4. März auch in anderen Städten des Sudetenlandes
geschossen? Gab es einen einheitlichen Befehl aus Prag?“ Die Gerichte und die Weltöffentlichkeit
schwiegen dazu. Heute wissen wir, dass der 4. März 1919 nur ein Vorspiel für unsere Vertreibung
war.“
Soweit der Bericht von Karl Hromada (†). Es folgt der Bericht aus Karlsbad.
Auch in Karlsbad hieß es „Pal!“ (Feuer!)
Die Vorgänge in Karlsbad wurden am 25.2.1951 im „Karlsbader Badeblatt“ geschildert. Zugrunde lag der im
März 1919 angefertigte Bericht des Karlsbader Stadtrats, dessen Kopie gerettet wurde. Dort heißt es:
„Als Justitiar der Stadt hatte Dr. Stein am 12. 12. 1918 den Auftrag, einen Oberstleutnant Slezacek zu
empfangen. Dieser war Kommandant einer Truppe tschechischer Soldaten, die mit einem mit
Maschinengewehren bestückten Militärzug am Zentralbahnhof angekommen waren. Zuerst
beschlagnahmte er 750 Kilo Brot für seine Leute, die sich dann singend und johlend zu ihrem
Quartier, der Turnhalle in Fischern, begaben. Anderntags erklärte Slezacek vor dem Stadtrat und dem
Bezirksnationalrat, „von Stadt und Bezirk Karlsbad Besitz zu ergreifen“. Die Tätigkeit der
Nationalräte und Ausschüsse sei einzustellen, die Volkswehr aufzulösen und alle Waffen abzuliefern.
Bürgermeister Dr. Pfeifer legte feierlichen Protest“ ein: „Wir setzen
der Gewalt keine Gewalt entgegen, wir ändern aber auch nichts an
unserem nationalen Bekenntnis und unserer Stellung zu unserer
Nation.“
Damit wurde die Macht über die Kurstadt und ihre an Hunger
leidende Bevölkerung „vorläufig“ übernommen. Wilson hatte sein
Versprechen der Selbstbestimmung schon am 18. 10. 1918
widerrufen, als er „eigenstaatliche Entwicklungen“ einräumte.
Benesch feierte dieses Zugeständnis als den „letzten Schlag gegen das Habsburgerreich“.
Unter der Oberfläche gärte im Sudetenland aber eine Unzufriedenheit, die sich am 4. März 1919
zeigte, als Gewerkschaften und die Sudetendeutsche Landesregierung zu einer gewaltfreien
Demonstration gegen das Verbot der Teilnahme an den Wahlen zur „Deutschösterreichischen
Nationalversammlung“ aufriefen. In Karlsbad strömten etwa 20.000 Menschen auf dem Becherplatz
zusammen. Die Kundgebung war bereits beendet, als beim Abmarsch der Teilnehmer vor dem
Militärbadehaus und dem als Kaserne dienenden Hotel „Trautwein“ sechs Karlsbader im
Maschinengewehrfeuer getötet wurden. Zeitzeugen sahen, wie die Soldaten an den Hotelfenstern ihre
Gewehre luden und den ausgehungerten Deutschen unter höhnischen Zurufen Brot und Kuchen
zeigten.“
Zusatz aus der „Karlsbader Zeitung“ vom 10. März 1969: Wie zielbewusst das tschechische
Militär die Verfälschung der Wahrheit betrieb, bezeugt der bei den Tschechen dienende deutsche
Feldsanitäter Walter Hofmann, den man einsperrte, quälte und verprügelte, weil er sich weigerte,
wahrheitswidrig auszusagen, dass die Deutschen zuerst geschossen hätten.
Auf der nächsten Seite folgt eine Dokumentation zum 4. März in Kaaden, wo mit 25 Toten die meisten Opfer zu
beklagen waren:
Hier der Bericht über Kaaden:
Begräbnis der Märzgefallenen in Kaaden
Am 8. März 1919 steht eine unabsehbare Menschenmenge aus Kaaden und den umliegenden Orten an
den offenen Gräbern der Märzopfer. Kranz reiht sich an Kranz, Blumen fallen auf die fünfundzwanzig
Särge.
Am Allerseelentage des Jahres 1919 ehrte die Stadt Kaaden das
Andenken der Gefallenen durch eine Feier am Friedhof.
Damals sagte der Abgeordnete und frühere Landeshauptmann
Dr. Rudolf Lodgmann von Auen unter anderem:
Jeder Vater spreche mit seinem Sohne: „Junge, vergiß mir die
Märzgefallenen nicht.!“ Und jede Mutter mahne die Tochter:
„Kind, gedenke der Toten!“ Durch sie spricht der Geist der
Geschichte und jenes unfassbare Wesen, welches der
Menschen und Völker Schicksale lenkt.
Es gab auch ein „Kaadener Vaterunser“, das zum Abschluss der Feier gesprochen wurde. Die späteren
Totenfeiern wurden durch einschneidende Verbote fast unmöglich gemacht. Verboten waren das
Hissen von Trauerfahnen, jede öffentliche Versammlung, Aufzüge jeder Art, Ansprachen, Musik und
Gesangsvorträge. Trauergottesdienste und Kranzniederlegungen waren an bestimmte Vorschriften
gebunden. Die Angehörigen

Verwandte Artikel

Tags

Share