Das Massaker von Aussig am 31.07.1945

Montag,26.August2013 von

Ein schwieriges Gedenken

Seit mehreren Jahrzehnten wird der Opfer des Massakers an den deutschen Bewohnern von Aussig gedacht, das im Juli 1945 stattfand. Am 31.07. kam es damals neben der Zuckerfabrik in Schönpriesen, einem Stadtteil von Aussig, zu einer Explosion. Heute scheint festzustehen, dass es sich um eine inszenierte Aktion des Svoboda-Armee und der Revolutionsgarden um Stabskapitän Bedrich Pokorný handelte. Wahrscheinlich sollte Druck auf die zu dieser Zeit in Potsdam tagenden Alliierten ausgeübt werden. Die Täter wurden nie bestraft. Sie schützt das am 8. Mai 1946 beschlossene Straffreiheitsgesetz (Benes-Dekret Nr. 115).

Das Gedenken an das Massaker von Aussig gab es schon seit den 1980er Jahren. Damals war der Veranstaltungsort noch in Birnal an der Elbe, da es zu dieser Zeit auf der Brücke, die seit 1990 nach einer der übelsten Gestalten der Tschechoslowakischen Republik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dem ehemaligen Präsident Dr. Edvard Benes, benannt wurde, undenkbar gewesen sei, hier die Opfer zu würdigen. (mdl. Mitteilung von Frau Bauer, Heimatverband Aussig). Seit Beginn der 90er Jahre finden am 31.07. Gedenkfeiern an der Brücke und seit Errichtung der Gedenktafel im Jahre 2005 auf der Brücke statt. Sie wurden zu Anfang von Mitgliedern des Kulturverbandes Aussig und befreundeten tschechischen Mitbürgern, wie dem Augenarzt Dr. Zoubek, und dem Leiter der Kreisgruppe der Sudetendeutschen in Dresden, Rüdiger Kollar, organisiert.

1994 sollte vor der Veranstaltung auf der Brücke ein Gedenken auf dem Friedhof in Theresienstadt stattfinden. Sie fand unter dem Titel „Versöhnung“ statt (2) und war den Opfern aller Gewalt gewidmet. Bereits in den beiden Jahren davor legten Sudetendeutsche in Theresiestadt Kränze nieder. Wegen des angeblich „provokanten Charakters“ der früheren Veranstaltungen untersagte diesmal der Direktor der Gedenkstätte, Jan Munk, zunächst die Feierstunde. Er genehmigte sie dann doch, als ihm die Veranstalter ein würdevolles Gedenken an alle Opfer der Gewalt zusicherten (2). Es wurde nicht nur der nach dem 8. Mai 1945 ermordeten Deutschen gedacht. Frau Bauer (mdl. Mitteilung) wollte den Hauptteil ihrer Rede sogar den KZ-Toten der Nazizeit widmen.

Empfangen wurden die mit Bussen angereisten deutschen und tschechischen Staatsbürger aus Dresden und Aussig durch etwa 20 tschechische Republikaner, die das Gedenken verhindern wollten, die Teilnehmer mit Eiern bewarfen und mit Schmährufen wie „Deutsche Schweinehunde“, „Nieder mit den Faschisten“, „Die Pfaffen haben uns den Hus verbrannt“ und „Deutsches Pfaffengeschmeiß“ traktierten. Unter ihnen war als Anführer der frühere „Rep“-Abgeordnete Josef Krejsa, der erklärte: „Wir werden um jeden Preis den Auftritt der Deutschen hier verhindern“, oder „Schert euch nach Hause, Mörder“ (1,2). Die vorbereiteten Ansprachen konnten unter diesen Umständen nicht gehalten werden. Zum Schluss wurden die von den Teilnehmern niedergelegten Kränze von einem der Störer zertrampelt, die Schleifen abgerissen und weggeworfen. „Den Opfern der Gewalt“ und „Versöhnung“ stand darauf. Die anwesenden Polizisten haben diesem Treiben erst zugesehen und ließen dann den Mann in der Menge untertauchen, ohne sich zu bemühen seiner habhaft zu werden.(1) Der für Theresienstadt zuständige Polizeidirektor, Josef Macnar, musste von seinem Amt zurückgetreten (3).

Die Szenen fanden unter den Kameras ausländischer Fernsehstationen statt. Auch die Presse war anwesend und interviewte einige Teilnehmer (2).

Die anschließende Zusammenkunft an der Brücke in Aussig, auf der sich schon viele Menschen befanden (2), verlief dagegen verhältnismäßig normal. Die Teilnehmer mussten nur zum Schluss an einer „Mahnwache“ vorbei, die der „Klub tschechischer Grenzbewohner“ errichtet hatte. (3) Zum 50. Jahrestag des Massakers musste eine vom Kulturverband der Bürger deutscher Nationalität in der Tschechischen Republik, einer der Organisationen der Deutschen Minderheit in Tschechien, geplante Gedenkveranstaltung durch Gewaltankündigungen von linksextremen Kommunisten und rechtsextremen Republikanern abgesagt werden.

Wenn auch solche Geschehnisse seit dieser Zeit nicht mehr vorgekommen sind, kann man von Normalität jedoch noch nicht sprechen. Seit mehr als 10 Jahren organisiert Frau Gottmann, Landesfrauenreferentin der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Nordrhein-Westfalen, zusammen mit den Aussiger Deutschen diesen Gedenktag. So auch in diesem Jahr. Da der Autor zu dieser Zeit aus anderen Gründen in Leitmeritz weilte, hat er sich die Zeit genommen, dabei zu sein.

Am 31.07. versammelte sich gegen 16:00 Uhr eine Gruppe von Sudetendeutschen, die aus verschiedenen Gebieten Deutschlands angereist waren, und Deutsche aus Aussig mit tschechischen Bürgern, unter Ihnen auch Dr. Zoubek, um der Opfer vom 31.07.45 zu gedenken. Insgesamt mögen es etwa 25 Personen gewesen sein. Es wären sicher mehr gewesen, wenn es vielen nicht schon schwerfiel, im hohen Alter diese Reise noch anzutreten. Es war der erste, etwas kühlere Tag nach der Hitze zuvor.

Unmittelbar vor uns gedachte schon eine Gruppe von 7-8 Personen der Opfer, die sich durch relativ einheitliche schwarze Kleidung von allen anderen abhob. Nach Inschrift auf der Schleife des Blumengebindes handelte es sich um den „Freundeskreis Sudetengau“, der nach Auskunft der Aussiger aus der Sächsischen Schweiz stammt. Ihr Auftreten soll bekannt sein und würde auch „beobachtet“.

Im Anschluss daran gedachte unsere Gruppe der Toten. Unter den Teilnehmern waren auch Pater Benno, ein Salesianer aus Teplitz und Herr Simanek, der Stadtpfarrer von Maria Himmelfahrt aus Aussig, die mit den Anwesenden gebetet und gesungen haben, an alle Opfer von Krieg und Gewalt erinnerten und daran, dass Krieg das Gebet zerstört. Frau Gottmann erinnerte in ihrer kurzen Ansprache an die ermordeten Deutschen, u. a. an jene, die von der Brücke in die Elbe geworfen oder im Feuerlöschbecken ertränkt wurden.

Danach übergaben die Anwesenden zu Ehren der Toten Kränze und Blumengebinde der Elbe und begaben sich in die Gemeinderäume zu interessanten Gesprächen bei Kaffee und Kuchen. Hier wurden gemeinsame Erinnerungen ausgetauscht und Fotos von vorangegangenen Gedenkveranstaltungen betrachtet. Frau Gottmann überreichte Pfarrer Simanek eine Geldspende für den Erhalt der Orgel. Zum Abschluss hielt Pater Benno noch eine kleine Andacht in der Kapelle.

Es wird in Zukunft davon abhängen, ob die nachfolgenden Generationen ein Geschichtsbewusstsein dafür entwickeln, dass solche Veranstaltungen fortgeführt werden können, wenn die Erlebnisgeneration verstorben ist.

So ging ein Nachmittag des Gedenkens zu Ende, der sich wieder nicht substantiell von denen vergangener Jahre unterschied. Man blieb auch diesmal unter sich.

Gerolf Fritsche gab in seiner Ansprache im vorigen Jahr an gleicher Stelle dem Wunsch Ausdruck, „dass auch Vertreter der Stadt im richtigen Augenblick den Weg auf die Brücke finden mögen – den sie heute im Jahre 2012 leider nicht gefunden haben“ (4). Auch im Jahre 2013 haben sie ihn nicht gefunden. Wie lange noch? Wann ist der richtige Augenblick? G. Bergmann

Quellen: Augenzeuge berichtet aus Theresienstadt.- FAZ Nr. 184, 3.8.1994, S. 3; Frankfurter Allgemeine Zeitung: Sie sollen nur kommen, die Säue, die deutschen; Leh, M: Tschechische Nationalisten verhinderten eine Gedenkstunde in Theresienstadt.-Sudetenpost, 40. Jg., Folge 17, 1.9.1994, S. 10; Dreier, G.: Bericht über die dramatische Gedenkfeier für die Opfer des Massakers am 31. Juli 1945 auf der Elbebrücke in Aussig, Sudetenpost, 40. Jg. Folge 17, 1.9.1994, S. 2; Fritsche, G.: Gedenkansprache auf der Aussiger Brücke am 31.7.12.- Sudetenbote, Folge 29, S. 13-15, August 20124

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